Mo(o)re less Power: MFA D-75A

Der D-75A ist ein amerikanischer Vertreter der Retro-Röhrenverstärkertechnik. Retro – auch wenn er »nur« aus Anfang der 1990’er Jahren stammt. Auch bedient diese Endstufe das gängige, amerikanische Klischee: Think big. Alle Verstärker von MFA sind nämlich »big«. Bis auf die Abmessungen – sonst aber in jeder Hinsicht. Besonders bei der Leistungsabgabe, also Watt.

Letzteres erkennt man an der Zahl im Namen. Leistungs-Röhrenverstärker unter 60 Watt waren bei MFA wohl gleichbedeutend mit den Gedanken, die Rockys mit einem VW Käfer durchqueren zu wollen. Also »unmöglich«.

»Mein« MFA D-75A Stereoblock (der MFA M-75B ist prinzipiell das Gleiche in grün, nur als Monoblock-Ausführung), kommt ziemlich archaisch daher und hat reichlich Patina am Blech. Irgendwelches Blendwerk sucht man vergebens und optisch erinnert er an alte 275’er von McIntosh. Die Bedienelemente müssen »nur« funktionieren, nicht glänzen. So zB. der Netz- und Standby-Schalter. Man muss sich schon etwas »anstrengen«, um den Kipphebel umzulegen. Lohn der »Mühe« ist ein »Klack« bzw. zwei »Klacks«. »Klack« und kein leises »Klickchen«. Das sind »echte« Netzschalter und kein halbseidenes Produkt die nur mit Entstörkondensatoren arbeiten können, weil denen sonst beim Schaltvorgang die Kontakte wegbrennen. Bei den Trimmpotis darf man laut husten und die Lautsprecherkabel werden an verzinkten Schraubterminals bombenfest angeschraubt (Verzinkt nicht vergoldet). Lediglich die (nachgerüsteten) vergoldeten Cinchbuchsen fallen etwas aus dem Rahmen. Kurz und gut: Der D-75A ist nichts für Leute die einer verchromten Trafokappe ein »auflösenderes« Klangbild bescheinigen.

Glänzend präsentieren sich dagegen die technischen Daten, wie zB. der Frequenzgang. Dieser soll, laut Hersteller, »unten« bei 12 Hertz anfangen und soll bis 150 Kilohertz (!) hinaufgehen. Natürlich mit -3dB an den Eckpunkten. Beim Signal- / Noise Ratio wartet das »Ami-Triebwerk« mit beachtlichen 95dB auf. Das alles nicht bei einem Watt ausgewürfelt, sondern (angeblich) unter Volllast (full power) ermittelt. Auch der Klirrfaktor liest sich gut: 0,03% (bei 1W) und nur 0,25% (full power). Für »full power« »reichen« übrigens 800 Millivolt am Eingang, was heutige Musikquellen mühelos liefern können. Dann »frisst« sich dieser Verstärker übrigens 350 Watt aus der Steckdose.

MFA steht für Moore-Frankland Associates und sind hierzulande nahezu unbekannt. In den USA sind MFA-Verstärker legendär. »Legendärer« sind die Personen Bruce Moore und Scott Frankland. Noch »legendärer« sind die Verkaufspreise für »Gebrauchtes«. Und über allem schwebt der, naja…, eigenwillige Umgang mit den technischen Daten. Die, in diesem Fall, annoncierten 75W pro Kanal (egal an welcher Last – also 4Ω, 8Ω oder 16Ω), sollte man zunächst unter Zuhilfenahme der Einstein’schen Relativitätstheorie betrachten.

Informationen zum Stereoblock D-75(A) findet sich nicht, braucht man eigentlich auch nicht, denn, wenn man einen MFA-Verstärker kennt, kennt man alle. Laut »Owner Manual« ist dieser Verstärker die dritte Revision mit ganz besonders »edlen« Bauteilen und noch »edlerem« Verdrahtungsmaterial. Die 1980’er / 1990’er Jahre lassen grüssen.

Unter der Motorhaube präsentiert sich der D-75A mit einer »rustikalen« aber effektiven Freiverdrahtung. Nichts für weichgespülte »Platinenbestücker«. Man findet sich, auch ohne Schaltplan, auf Anhieb zurecht. Naja, fast. Bei den Kabelfarben hätte ich mir gewünscht, dass zumindest ein rotes Kabel für die positive Hochspannung verwendet worden wäre. Das scheint es bei der »edlen« Kabelmarke aber nicht gegeben zu haben…

Nachgerüstet (!) wurde der D-75A bereits mit Schutzleiter (!) und 2W Kohleschicht-Schirmgitterwiderstände (Kohleschicht – im neudeutschen High-End Jargon »Carbon Film« genannt). Wo hat der Eigentümer diese Dinger bloss herbekommen? Egal. Völlig richtige Maßnahmen, denn Ferritperlen allein (im Original an den Anoden- und Schirmgitterzuleitungen) schützen nicht vor hochfrequentes Schwingen und wenn meine Sicherheit auf dem Spiel steht, dann geht mir Originalität oder Authentizität auch »schnurstracks« am Allerwertesten vorbei. Aber so was von…

In die Hand gedrückt wurde mir der Verstärker mit der Bitte um eine schonendere Betriebsweise der Endröhren. Vielleicht ist es auch möglich, das doch eher »muffige« Klangbild zu beseitigen. Den Schaltplan lieferte der Besitzer mitsamt »Owner Manual« gleich mit. Perfekt. Die Röhrenschaltung an sich ist ein alter Hut und bis auf die zwei Hochspannungsstabis vom Typ 0A2 zeigen sich keine grossen Überraschungen. Die 0A2, zur Spannungsstabilisierung der SRPP-Vorstufe, sind natürlich kein Blendwerk sondern Kuhfänger. Kein Ami-Truck ohne Kuhfänger.

Die D-75A Röhrenschaltung

Eine als SRPP geschaltete ECC83 (12AX7) die auf eine Long Tailed Pair (Phasenumkehr) mit 6FQ7 (Was’n dat für ‘ne Röhre?) arbeitet. Dann kommen schon die Endröhren, von denen MFA vorschreibt, dass diese bitteschön vom Typ 6550A (A!) zu sein haben. Die A-Version, nicht die »einfachen« 6550. Wenn man sich die 500 Volt Versorgungsspannung vor Augen hält und sich die betreffenden 6550-Datenblätter zu Gemüte führt, dann ist das aber sehr gewagt. Zu der 6FQ7 komme ich später.

Die Monoblock-Version (M-75B) ist übrigens mit 6SN7GT anstatt 6FQ7 bestückt.

Die SRPP ist zwar falsch gezeichnet, aber richtig beschaltet. Mit einer sehr straffen Gegenkopplung wird die eigentlich sehr hohe Verstärkung stark gemindert, was dann auch die 800mV-Eingangsempfindlichkeit erklärt. Damit schrammt der Verstärker aber auch gefährlich nahe an einer Mitkopplung vorbei. Das wiederum erklärt dann auch die sedierend wirkenden Keramikkondensatoren an den Endröhren, die den Hang zur Instabilität ausgleichen sollen (da wird allerdings der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben).

Der Kathodenwiderstand der Phasenumkehr ist nicht gegen Masse beschaltet, sondern an eine negative Spannung. Die Phasenumkehr wird übrigens (Fasten your seatbells!) mit 560 Volt »versorgt« (dazu kommt noch die negative Spannung!). So beschaltet erzeugt die Phasenumkehr eben einen gewaltigen Spannungshub für das Endröhren-Paar. Very big.

Exakt die gleiche Vorstufenschaltung muss auch für die Monoblöcke 120B herhalten. Im MFA-120B werden aber vier (anstatt zwei) 6550A-Endröhren pro Kanal eingesetzt!

Noch mehr »zeitgeistiges« aus den 1980’er- und 1990’er-Jahren: Alle Draht- und Kohleschichtwiderstände sowie Elkos sind für HiFi ja pures Gift. Na gut, bei den Kohleschichtwiderständen kann ich das verstehen. So manche Serie war einfach be-rausch-end. Metallwiderstände galten als der Heilsbringer schlechthin und jedem Elko musste eine kleine Wunder-Folienkapazität »bygepasst« werden. Diese Bypass-Kondensatoren waren idealerweise kapazitätsmäßig so klein, dass diese noch nicht einmal im Toleranzbereich der Hauptkapazität fielen. Man musste zudem einfach nur an die Wirkung (schneller, auflösender) glauben. Ich gebe ja zu, dass ich auch ein Fan vom bypassen von Kondensatoren bin. Bei mir fallen aber die Bypass-Kapazitäten deutlich im Toleranzbereich der Hauptkapazität. Und wenn ich Koppelkondensatoren bypasse, hat das vordergründig andere Gründe als klingendes Klang.

Metallwiderstände. Die erste Maßnahme, die durchgeführt wurde, war das Ersetzen der vier 5W (!) Metalloxyd-Kathodenwiderstände an den 6550. Wenn im weiteren Verlauf etwas »daneben« gehen sollte, habe ich wenigstens die Widerstände als »Worst Case-Sicherung«. Ich weiss nicht, ob ich es schon erwähnt hatte: Metallwiderstände oder Hochlastwiderstände (Zementbunker) fackeln einem eher die Bude ab, als das sie aufgeben. Draht- oder Kohlewiderstände rauchen dagegen schnell ab und unterbrechen somit den Stromkreis, bevor die Feuerversicherung in Anspruch genommen werden muss. Aber das hat man damals, im »Metallschicht-Wahn«, nur allzu gerne ignoriert (OK, ich war auch mal so drauf…). Wer sich übrigens auf Schmelzsicherungen verlässt, der ist verlassen…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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