(Not only) For Beginners: KoppelKondensatoren (2)

Wie bereits im ersten Kondensator-Teil dargelegt, weisen alle Kondensatoren gewisse »Nickligkeiten« auf. Entweder man lernt damit zu leben oder… Tja, wie sieht dann eigentlich die Alternative aus?

Wenn man nun auf Koppelkondensatoren gänzlich verzichten will, muss man konsequenterweise auch auf Übertrager (Induktivitäten) verzichten. Der »fummelt« nämlich auch am Signal gehörig ‘rum. Und ganz besonders die Interstage-Übertrager (Zwischenübertrager). Das darf man aber gar nicht laut sagen, weil man dann garantiert gekreuzigt wird. Dass das jetzt hier steht, sagen Sie deshalb nicht weiter. Ok?

Die logische Konsequenz wäre, auf einen Röhrenverstärker komplett zu verzichten und Musik über einen Halbleiterverstärker zu hören. Hier wimmelts jedoch auch von Koppelkondensatoren. Und das vielfach auch noch von der ganz »schlimmen Sorte«, nämlich Elektrolykondensatoren (Elkos). Und nun?

Nicht ohne meinen Koppel-C

In diesem Teil geht es also ganz speziell um Koppelkondensatoren. Doch, doch. Alles hat einen Sinn – auch Koppelkondensatoren. Diese Betrachtungsweise ist allerdings eine vereinfachte, gar nicht so graue, Theorie. Formeln inklusive.

Hauptaufgabe eines Koppelkondensators ist, dass er zwei Verstärkerstufen miteinander gleichspannungsfrei miteinander verbindet und nur die verstärkte Wechselspannung (das Musiksignal ist ja nichts anderes) durchzureichen hat. Auch wenn es Schaltungen gibt, die weitgehenst ohne Koppel-Kondis auskommen – spätestens wenn es zur Endröhre geht, tauchen diese »Dinger« auf. Im ersten Teil ist ja bereits erörtert worden, dass Kondensatoren frequenzabhängig arbeiten. Leider neigt jeder (aber auch wirklich jeder) Koppelkondensator auch noch dazu, an der Phasenlage des Signals »herumzufummeln«.

Auf Du & Du mit dem Koppelkondensator

Machen wir es kurz: Koppelkondensatoren sind nicht »per se böse«. Es kommt auf die richtige Menge an. Damit meine ich nicht die Anzahl an Koppelkondensatoren, sondern deren Kapazitäten, denn die sind vielfach schlichtweg überdimensioniert.

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Schaut man sich nämlich alte Röhrenverstärker-Schaltpläne an, so stellt man fest, dass dort die Werte für Koppelkondensatoren relativ klein sind. Selten sind diese grösser als 100 Nanofarad (100nF bzw. 0,1µF). Ursächlich aus Kostengründen – damals waren Kapazitäten ein teures Ding. Man konstruierte also so, dass man mit kleinen, kostengünstigere, Kapazitäten auskam!

Trotzdem bekommt man damit noch ein einigermaßen zeitgemäßes HiFi hin. »Einigermaßen zeitgemäß« heisst: ein Frequenzband von 20Hz bis 20kHz (-3dB) wird (relativ) gut abgedeckt. Zeitgemäß ohne das »einigermaßen« sollte dagegen heissen: Ein Röhrenverstärker schafft das Subcontra-C (16Hz) als untere Grenzfrequenz (fu) ohne Abschwächung. Nach oben hin, also als obere Grenzfrequenz (fo), darf es ruhig bis 60 bis 80kHz gehen.

Das man sich in »modernen« Verstärkern nicht auf 20Hz bis 20kHz beschränkt hat u.a. auch den Grund, dass der Verstärker auch noch die Oberwellen (schönerer Ausdruck für Klirr) eines Tones übertragen soll. Denn gerade die Oberwellen machen die Musik. Aber nicht nur das…

Kann jeder selber nachmachen: Wochenlang nur »kastriertes« Musikmaterial hören (MP3). Dann eine gute CD von einem guten CD-Player und zum Schluss die Schallplatte…

Koppelkondensatoren und die verdammten Phasen

Diese hohe obere Grenzfrequenz hat natürlich noch einen weiteren Sinn! Je weiter oben diese Grenzfrequenz angesiedelt ist, desto später setzt eine unweigerlich beginnende Phasendrehung im Verstärker selbst ein. Liegt die obere Grenzfrequenz zu niedrig, beispielsweise bei 30kHz, dann treten die »beginnenden Phasendrehungen« (eigentlich sind’s »nur« ausser Kontrolle geratene Phasenverschiebungen) bereits im empfindlichen Hörbereich auf (zwischen 1kHz und 5kHz). Die Phasenverschiebungen an sich sind so eigentlich kaum wahrnehmbar – es sei denn, man hat einen akustischen Vergleich oder die Verstärkerschaltung ist kompletter Murks.

An sich ist das Erreichen einen »richtigen« oberen Grenzfrequenz kein Problem und man muss sich darum auch kaum Gedanken machen – wenn man einen Übertrager einsetzt, der das tatsächlich auch gewährleistet! Schafft der Übertrager also nur 40kHz (-3dB), dann kann die Schaltung an sich bis 100kHz gehen – der Übertrager bestimmt, wann Schluss ist. Ausserdem ist auf der sekundären Übertragerseite ja nicht Schluss – denn da gibts ja noch die Gegenkopplungsleitung, die alles wieder zurück in den Verstärker führt..

An diese Phasenverschiebung ist nicht nur der Koppelkondensator schuld – jede Verstärkerstufe verschiebt nämlich die Phase um 90°. Bei einem durchdachten Verstärker (besonders bei Eintakter, Single-Ended) stimmts »hinten« aber wieder: Die Phasenlage ist dort dann identisch mit dem, was »vorne« eingespeist wurde – nur eben (logischerweise) zeitlich verzögert.

Ein Koppelkondensator fügt zu diesen »natürlichen« Verschiebungen aber noch weitere hinzu. Grob gesagt: Je grösser der Kondensatorwert, desto schlimmer. Diese Verschiebungen können dann nicht mehr so einfach »wegkonstruiert« (z.B. durch eine Gegenkopplung) werden. Und das kann man tatsächlich hören: Es stimmt »irgendwie« nicht. Meistens sind die Höhen einen Tick schneller am Lautsprecher als die Tiefen (Das ist übrigens ein altes Problem. Die allerersten CD-Player hatten auch mit diesem Problem zu kämpfen…). Nachtrag: Dieses »hinterherhumpeln« der Tiefen kann (!) allerdings auch ganz andere Ursachen haben.

Allerdings – der Schuldige ist nicht allein der (Koppel-) Kondensator. Er braucht für seine »Schandtaten« Komplizen. Genauer gesagt zwei Komplizen. Der Eine ist dafür verantwortlich, dass sich der Kondensator richtig und schnell aufladen kann (Zeitkonstante Tau, τ), der Andere bestimmt die untere Grenzfrequenz (fu, und damit auch fo). Die Komplizen? »Schnöde« und billige Widerstände. Sie bilden mit dem Koppelkondensator dann das »Dream-Team«.

Und als ob das nicht genug wäre: Was ein guter Kondensator erst einmal hat, gibt er nur ungern wieder ab. Gemeint ist natürlich die aufgeladene Spannung. Ein Entlade- und/oder Lastwiderstand zwingt dann den Kondi, seine Ladung auch bitteschön wieder abzugeben. Diese Funktion übernimmt ebenfalls der Widerstand, der auch für die untere Grenzfrequenz verantwortlich ist (die nachgeschaltete Röhrenstufe an sich lassen wir als »Lastwiderstand« mal ganz aussen vor).

Zeitkonstante

Das Blöde an einem Kondensator ist, dass er die Wechselspannung nicht einfach so durchreicht oder abgibt. So ein Kondensator muss sich nämlich erst einmal aufladen. Erst wenn der Kondensator zu etwa 60% aufgeladen ist, ist er bereit, die gespeicherte Ladung auch wieder abzugeben.

koppelkondensator Und hier kommt der erste Komplize, sprich Widerstand R1, ins Spiel. Dieser ist gegen den Pluspol geschaltet und sorgt dafür, dass sich der Kondi C aufladen kann. Für die Berechnung der Zeitkonstante ist der Anodenwiderstand (Arbeitswiderstand) der jeweiligen Vorröhre heranzuziehen. Die Formel für die Zeitkonstante (zur Aufladung) lautet:

    \[ \tau=R*C \]

Die Werte für R sind in Ohm (Ω) und für C in Farad (F) anzugeben! Ergebnis ist τ in Sekunden.

Je kleiner man die Zeitkonstante zur Aufladung je Koppelkondensator hält, desto besser, desto schneller der Verstärker. Historische Verstärker mit ihren kleinen Koppel-Kapazitäten sind daher – allein von diesem Standpunkt aus gesehen – schön schnell und »fummeln« vor allem nicht so sehr am Signal herum.

Dass das alles nicht ganz so einfach ist, vermuten Sie sicher bereits. Denn es kommt nun der zweite Komplize hinzu, der die »gute« Zeitkonstante komplett versauen kann: Der Widerstand, der für die untere Grenzfrequenz (fu) verantwortlich ist und zudem noch als Entladewiderstand fungiert. Das ist in 100% aller Fälle der Gitterableitwiderstand der nachfolgenden Röhrenstufe. Dieser Widerstand ist gegen Masse beschaltet.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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