EL509 Single-Ended „reloaded“

„Wie wäre es mit einem Single-Ended EL509 Verstärkerchen?», antwortete ich 2010 auf die Frage, ob ich nicht einen Selbstbau-Artikel für HiFi-Tunes Röhrenbuch 2 „parat» habe. Und so entstand „mal eben» ein Eintakter mit EL509 in Class-A1. Für die Photosession nicht unbedingt eine Schönheit (es musste wirklich „zackig» gehen) – aber dieser Röhrenverstärker funktioniert heute noch genauso, wie er „damals» konstruiert und aufgebaut wurde.

Und wie! Regelmässig muss der EL509’er zum Test gegen echte EL34- / KT88-Gegentakter, 845-Eintakter und andere Röhrenverstärker antreten. Immer mit dem gleichen Ergebnis: „Boah! Ist das wirklich ein Eintakter?» Dabei leistet dieser Röhrenverstärker doch „nur» knappe 15 Watt. Keine Frage, dass tut man sich nicht freiwillig an (es sei denn, sie stehen auf einen Tinitus) und so ist meist bei etwa 2 Watt (an 93dB-Lautsprecher) das absolute Ende der akustischen Fahnenstange erreicht. Diese doch verhältnismäßig geringe Leistung ist aber von einer aussergewöhnlichen Dynamik geprägt. Da fragt man sich, warum nicht öfter mit EL509 (6KG6, PL509) oder ähnlichen Röhren (EL504 / PL504, PL519 etc.) gearbeitet wird.

Update Juli 2022: Meiner Vergesslichkeit sei Dank, hier der Hinweis, dass die Schaltung geändert wurde. In der Vorstufe sitzt nunmehr eine Pentode die auf einen Impedanzwandler arbeitet. Der Röhrengleichrichter ist komplett entfallen.

Der Grund, warum sich der EL509-Röhrenverstärker so gut anhört (Dynamik, Impulsverhalten…), liegt zum einen an die wirklich dicken Eintaktübertrager, an das Schaltungskonzept und natürlich an die EL509. Kenner wissen, dass die EL509 (respektive EL504 / PL504, PL509 oder PL519) früher in der HoriZontalAblenkstufe von Röhrenfernsehern arbeiteten (da mir das Wortungetüm zu lang ist, kürze ich des öftern einfach auf „HZA-Röhren» ab). Da müssen die Impulse (u.a. Rücklaufstrahl für die Bildröhre) schnell „durchgereicht» werden. Impulsfrequenzen im zweistelligen Kilohertzbereich (ganz genau: 15.625Hz) waren da normal. Ausserdem muss eine solche Röhre extrem viel „Saft» liefern können – Impuls-Spitzenströme von über 1 Ampere (richtig gelesen) waren „normal». Hier „versagen» normale Pentoden bzw. Tetroden auf ganzer Linie. Von Trioden gar nicht zu reden. Das aber macht solche Röhren im HiFi-Bereich zu idealen Kandidaten für sog. OTL-Röhrenverstärker (OTL = Output-TransformerLess) oder aber für die legendären Futterman-Verstärker.

Hinter den technischen Daten und der Kennlinienschar könnte man übrigens, wenn man es nicht weiss, durchaus eine Triode vermuten. Etwa 5% Klirr bietet zB. auch eine 300B (Maximalangabe). Eine EL34 oder KT88 liegt hier um ein vielfaches darüber.

Niedriger Röhren-Innenwiderstand – 25kΩ bei der EL156 stehen 10kΩ bei der EL509 (6KG6 / PL509) gegenüber – und die für eine Pentode außergewöhnliche, sehr hohe Steilheit: 18mA/V vs. 10mA/V bei EL156. Damit lässt sich schon etwas machen! Und das nicht nur in Gegentaktschaltung wie z.B. der legendäre T+A V10. Übrigens: Im NF-Bereich leistet, unter etwa gleichen Bedingungen, nur die EL156 (die echte, nicht der China-Nachbau) vergleichbares. Eine KT88 benötigt zB. eine wesentlich höhere Versorgungsspannung, um annährend die gleiche Ausgangsleistung aber mit wesentlich höherem Klirrfaktor zu erzielen.

Ausgereifte Single-Ended-Konzepte mit dieser Röhre darf man aber mit der Lupe suchen. Zehn mir bekannten EL509-Gegentakt Röhrenverstärker stehen nur zwei Single-Ended-Designs (von „simplen» Nachbauten abgesehen) gegenüber: Der EAR 859, unter anderem auch bestückt mit PCC88, und natürlich Bob Danielaks Schaltung mit der Verbundröhre ECL86. Diese – zweifelsohne – guten Konzepte besitzen jedoch den Nachteil, dass sie durch die Art, wie man die EL509 beschaltet, Leistung verschenkt. Maximal sind es da vielleicht 8 bis 10 Watt – so zB. im sog. „Enhanced Modus» (= Schirmgittermodulation – hierbei wird die Röhre am Schirmgitter angesteuert). Lässt man die Pentode (bzw. Tetrode) jedoch mal als Pentode (Tetrode) arbeiten, dann zeigt sie erst richtig, was in ihr steckt – ohne den Hörer übermäßig mit Klirr („bitterböses» k3) zu belästigen (welches ja eh schon niedrig angesiedelt ist).

EL509 / PL509 Röhren

Die Wahl der Endröhre ist nicht ganz unkritisch. Mit NOS-Röhren liegen Sie bei diesem Verstärker garantiert richtig (Kleiner Rat: Wer zuerst kommt mahlt zuerst). Alternativ, falls Ihnen Anodenkappen nicht geheuer sind, die Oktalversion mit Winged-C Zeichen (die aber mittlerweile zu NOS zählt und nur schwer erhältlich ist). Zu der JJ-EL509 schreibt Lothar Wiemann (war an Entwicklung des T+A V10 beteiligt) auf radiomuseum.org

Die JJ ist aber eigentlich keine echte EL509 sondern vom Aufbau mehr eine vergrößerte EL34, die etwa 40 W Anodenverlustleistung und mit einer Hochstromkathode, die ca. 1,4 A liefern kann.
Die JJ Version war dann aber auch nicht die Lösung der Qualitätsprobleme. Statt Glasbrüchen und Gitterschlüssen leidet die JJ an thermischer Drift und erwies sich in Fixed-Bias Schaltungen als problematisch.

Das kann ich persönlich, was „meinen» Schaltungsentwurf (Single-Ended, Class-A1, relativ „moderate» Versorgungsspannung) betrifft, so nicht ganz nachvollziehen. Sie klingt hier etwas feiner, „heller», als die Winged-C, die doch eher „wuchtiger» daherkommt (sowohl akustisch als auch optisch). Die „Wolga-Röhre» (Kundenzitat) kommt mit typischer russischer „Wehmut» daher (ebenfalls Zitat).

Aber auch bei der Winged-C gab es hin und wieder Probleme mit den etwas zu dünnen Kontaktstiften. Auch die Winged-C „driftet» gerne und es dauert etwas, bis sich die Röhre stabilisiert hat. Mit den Röhren von Svetlana (S-Logo, 6KG6) liegen keine Erfahrungswerte vor!

Die Oktalversion der EL509 kann übrigens nur bis zu einer maximalen Spannung von etwa 450 Volt sicher betrieben werden. Geht die Versorgungsspannung darüber hinaus, sind Röhren zu verwenden, die „oben» den Anodenanschluss montiert haben (also NOS oder PL509). Die nicht unerhebliche Gefahr von Spannungsüberschlagen an der Röhrenfassung tendiert dadurch gegen Null.

Sollten Sie keine EL509 bzw. PL509 bekommen, greifen Sie beherzt zu PL519. Bis auf die Heizung ist an diesem Verstärker nichts zu ändern. Sie könnten rein theoretisch etwas mehr Spannung auf die Anoden geben und dadurch auch die Leistung steigern. Das erfordert allerdings ein komplett anderes Netzteilkonzept. Trotz alledem: Diese Röhren sind nicht billig (leider) und es lohnt sich, Ersatz zu bunkern. Nach Aussagen vieler „Nachbauer» ist für sie das Thema Röhrenverstärker erledigt. Man hat gesucht, gefunden, nachgebaut und gut ist.
Nachtrag 11.2016: Die EL519 ist scheinbar schon ausgestorben und die PL519 wird nicht mehr offen gedealt. Ich meine Neuware, bzw. NOS. Der russische Ersatz 6P45S ist zwar noch verfügbar – ich kann aber nichts über die Qualität sagen.

Update Juli 2022: Mittlerweile schon. Sowohl die 6P45S als auch die 6P42S (aus den 1980’er Jahren) sind qualitativ sehr gut. Deshalb setzte ich bevorzugt diese Röhren ein.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

Kommentare sind geschlossen.