Auf dem Röhrenglas steht ja oftmals eine Bezeichnung, anhand dessen man einordnen kann, um was für eine Röhre es sich handelt. Leider kann man sich darauf nicht immer verlassen, denn manchmal steckt in dem Glaskolben nicht das, was drauf steht. Wenn allerdings gar nichts (mehr) drauf steht, haben wir ein Problem (Welch‘ Erkenntnis!).
Zunächst: Die hier aufgeführten Informationen sind als „sehr grobe“ Anhaltspunkte zu verstehen und betreffen hauptsächlich die derzeitig „populären“ Röhren. Es ist zudem eher Lesestoff „for beginners“, also für die, die „Röhrenlogie“ nicht studiert haben.
„Historisch“ gewachsen ist meine Skepsis gegenüber Röhren aus Fernost. Es gab durchaus mal eine Zeit, da hatte ich meinen Frieden mit solchen Röhren gemacht. Mittlerweile bin ich wieder skeptisch – die Röhren „böllern“ zwar nicht mehr (oder sehr selten – was aber kein „Fernostprivileg“ ist), aber man muss mittlerweile zweimal hinschauen, um abschätzen zu können, was man da wirklich im Glas hat bzw. was man da bekommt. Meine „Vorliebe“ zu NOS ist daher nicht unbegründet – da weiss man einfach, was man hat. Zu 90% wenigstens, denn „schummeln“ ist keine neuzeitliche Erfindung…
Generell: Sobald Röhren, und sei es noch so geringfügig, anders bezeichnet werden, stimmt etwas nicht mit dem Originaltyp überein. Und weil es immer wieder zu Missverständnissen und periodisch auftretende Hypes kommt, eine kleine Übersicht, ob die Gläser wirklich Äquivalent zum Ursprungstyp sind oder ob es sich um Generika oder um Derivate handelt.
Vorstufenröhren
6N1P russ. ECC88-Derivat höhere Spannung als bei ECC88 möglich 6N1 chin. 6N1P-Derivat DIE Rampensau in Fernost-Verstärker 6N2P russ. ECC83-Derivat Mit Anpassungen gegen ECC83 austauschbar 6N2 chin. 6N2P-Derivat oft auch als 12AX7-A bzw. B bestempelt 6N3P russ. 2C51-Äquivalent Ursprünglich für HF-Anwendung, etwa ECC85 6N3 chin. 6N3P-Derivat 5670 US 6N3P-Generikum 6N4P Generika 6072, 12AY7 Gelegentlich mit 12AU7 verwechsbuchselt 6N8P russ. 6SN7GT-Generikum guter Ersatz zur "echten" 6SN7GT 6N8 chin. 6N8P-Derivat 6N9P 6SL7-Generikum Ähnlich wie 12AX7 bzw. ECC83, "kämpft" aber mit Mikrophonie 12AT7 Äquivalent zur ECC81… (siehe Liste LL-Versionen) 12AU7 Äquivalent zur ECC82… 12AX7 Äquivalent zur ECC83… 12AX7WA Generikum zur russ. 6N2P Kommt von Sovtek. JJ-ECC83S Generikum zu ECC803 von Telefunken. Unterschied: Spanngitterversion! 12AX7C von Groove Tubes = Shuguang 12AX7-A (B) also 6N2
6Nx-Röhren
Gerade preiswerte Röhrenverstärker aus dem Land der Mitte glänzen durch „wilden“ und „hemmungslosen“ Einsatz von 6N-Hastenichtgesehen Röhren. Bis auf wenige Ausnahmen sind solche Röhren mit nichts und niemanden wirklich kompatibel bzw. datengleich – oder anders ausgedrückt: Solche Röhrensysteme sind völlig Eigenständig. Meist werden diese Röhren in eine Schaltungsumgebung gesteckt, die eigentlich für eine andere Röhrentype ausgelegt ist. Fachkundige können durch gezielten (!) Röhrentausch auf den Originaltyp eine erhebliche Verbesserung der Klangeigenschaften erzielen! Das erfordert aber ein genaues Schaltplanstudium. Auffälligstes Merkmal der China-6Nx Röhren ist, dass hier oftmals das Anhängsel P fehlt, also 6N1 anstatt 6N1P. Und das hat sehr wohl einen Grund!
Attention, please:
„Normale“ 6NxP-Röhren können nur mit 6,3V an Pin 4 und 5 beheizt werden. An Pin 9 ist ein Schirmblech angeschlossen welches die Triodensysteme voneinander „trennt“. Eine „normale“ 12AX7 (respektive ECC83) beispielsweise kann sowohl mit 12,6 Volt an Pin 4 und 5 beheizt werden, als auch mit 6,3 Volt. Hierfür werden Pin 4 und 5 zusammen geschaltet und nutzt dann den Mittenabgriff des Heizfadens an Pin 9. Eine 6N2P (also russische Röhre) kann demzufolge nicht ohne weiteres gegen eine ECC-Röhre getauscht werden. Mit der chinesischen Variante 6N2 (also ohne P) funktioniert das dagegen oftmals!
Die 6N1P ist von ihren Daten her ein Derivat zur ECC88 bzw. E88CC. Auffälligstes Merkmal ist, dass die 6N1P in eine Arbeitsumgebung eingesetzt werden kann, bei der sich eine ECC88 (bzw. deren LL-Version) sehr schnell „krank meldet“. Die 6N1-Röhre (also ohne P) findet man vorzugsweise als SRPP beschaltete Vorstufe in chinesischen Röhrenverstärkern. In dieser Beschaltung funktioniert sie, eine „Offenbarung“ ist das aber nicht (was wohl auch an der Art der „SRPP-Interpretation“ liegt).
Die 6N2P ist kein richtiger Ersatz für eine ECC83 (respektive 12AX7). Die 6N2P weist eine höhere Steilheit und einen geringeren Innenwiderstand auf. Wird die 6N2P in eine Schaltung gesteckt, die eigentlich auf ECC83 ausgelegt ist, ist dies deshalb natürlich mit einem „anderen Klang“ verbunden. Soweit so gut. Leider gibt es, wie schon angedeutet, chinesische Röhren, die eine 12AX7-A (-B) Bezeichnung tragen. Auch die 12AX7-B wird in vielen Röhrenverstärkern als „brutale“ SRPP beschaltet – heisst: maximalste Verstärkung. Die Daten der 12AX7-B ähneln einer „echten“ 12AX7 (ECC83), aber sie hat doch mehr Gene von einer 6N2(P) „mitbekommen“. Zudem weist die 12AX7-B einen Aufbau auf, der schon fast typisch ist… Die chinesische 12AX7-B Doppeltriode ist also… Ja, was ist sie eigentlich?
Vorsicht muss man auch bei der Sovtek 12AX7-WA (nur echt, wenn da tatsächlich Sovtek ’draufsteht) walten lassen. Entgegen der Vermutung, dass es sich um eine LL- oder Military-Version der 12AX7 handelt (= 7025), ist dies „nur“ eine extrem „hochgezüchtete“ 6N2P. Die Röhrenschaltung sollte man dann auf diese Röhre anpassen! Die Sovtek 12AX7-WA ist nämlich gut. Und teuer.
Eine „richtige“ 12AX7 aus China ist übrigens schon lange nicht mehr gesichtet worden! Neuerdings gerät selbst eine 12AT7 (ECC81) in den Verdacht, dass sie etwas vorgibt, was sie nicht ist. Letzte Gewissheit gibt nur noch der Messplatz.
Die 6N3P ist eigentlich ein nettes Triodensystem. Zumindest dann, wenn sie aus Russland kommt und in eine Schaltung steckt, die mit dieser Röhre umgehen kann. Es gibt Röhrenverstärker, die mit 6N3-Röhren bestückt sind und „ersetzen“ die Ursprungsbestückung ECC83 und ECC82 (12AX7 bzw. 12AU7). Man darf sich seinen Teil denken…
Die 6SN7GT ist, abgesehen von der Konstruktion, ein Generikum zur ECC82. Von der üblichen GT-Version gibt es noch eine GT-A und GT-B Variante. Der Unterschied zur „einfachen“ GT-Version ist nur die etwas höhere Anodenverlustleistung (A-Version) und die verkürzte Aufheizzeit (B-Version). Ansonsten identisch, was relevante Daten betrifft. Das Bohei darum (vor allem der überzogene Preis) ist mir unverständlich.
Die 6N8P (kyrillisch etwa 6H8C) aus Russland ist zwar sehr gut als 6SN7GT-Ersatz zu gebrauchen aber nicht ganz identisch mit dieser Röhre. Die chinesische 6N8-Variante ist hingegen immer der erste Kandidat, den ich bei einem Röhrenverstärker austausche. Ersetzt man eine 6N8-Röhre durch eine „echte“ 6SN7GT, dann hört man den Unterschied selbst mit Tinnitus.
Die 6N9P kann eine 6SL7GT ersetzen. Hierbei sollte man wirklich auf gute Qualität achten. Egal welcher Herkunft diese Röhren sind – sie „kämpfen“ mit Mikrophonie und teilweise gravierende Unterschiede zwischen den beiden Triodensystemen, was ja eigentlich gar nicht sein darf. Man sollte daher ein paar Euro mehr für das Ausmessen investieren. Auch als „Kritiker“ des Ausmessens schätze ich diese Vorteile…
Nicht nur „die Chinesen“ sind kreativ im „Erfinden“ neuer Röhrentypen, auch westliche Händler können das ganz gut – besonders im Bereich Gitarrenverstärker. Hier ist mir beim Zusammentragen von KT88-Datenblättern aufgefallen, dass vermutlich umgelabelte chinesische KT88 sich mit Daten schmücken, die direkt von Svetlana übernommen kopiert wurden!