Ruhestrom nachjustieren
Die Vorbereitungen nach Punkt 1 sind getroffen? Dann kann der Verstärker eingeschaltet werden (natürlich auch das Messgerät). Nach einiger Zeit sollte man am Messgerät einen Spannungswert ablesen können, der sich üblicherweise, je nach Endröhre, etwa zwischen 0,30 Volt und 0,50 Volt befindet (bezogen auf einen 10Ω-Kathodenwiderstand).
Mit dem Einstellregler kann man nun den Ruhestrom aller Endröhren auf etwa den gleichen Wert einstellen. Wie hoch der Wert sein soll, sollte der Hersteller angegeben haben. Doch Vorsicht! Manchmal sind die Hersteller- bzw. Vertriebsangaben… Nunja… Grenzwertig.
Deshalb eine kleine Übersicht mit Ruhestromwerten, bei denen man nichts falsch machen kann.
Diese (Durchschnitts-) Werte gelten nur für HiFi-Röhrenverstärker in Gegentakt-Class AB bzw. AB1 (Ultralinear)! Die Minimal- und Maximalwerte hängen stark von den Betriebsbedingungen ab. Diese müssen tatsächlich ausgemessen werden. Den Angaben im evtl. vorhandenem Schaltplan sollte man kein blindes Vertrauen entgegenbringen.
Endröhren Spannungsmessung entspricht Ruhestrom Kathodenwiderstand EL34, 6CA7, KT77 0,30V … 0,35V 30mA … 35mA 10Ω EL-34B & Co Keine Erfahrungswerte 6L6GC, 5881, KT66 0,35V … 0,40V 30mA … 40mA 10Ω KT88-98 (China) 0,35V … 0,40V 35mA … 40mA 10Ω 6550 0,40V … 0,45V 40mA … 45mA 10Ω KT88 0,40V … 0,50V 40mA … 50mA 10Ω
Es ist nahezu unmöglich, alle Röhren auf exakt den gleichen Ruhestromwert abzugleichen. Mit ± 3-5mA Differenz liegt man immer gut im Rennen. Der Abgleichvorgang ist mehrfach zu wiederholen, da sich die Röhren gegenseitig etwas beeinflussen. Differieren die Ruheströme von einem Röhrenpaar zu stark, dann summt es vernehmlich im Lautsprecher!
Jetzt kommt eine Formel (ohmsches Gesetz) ins Spiel:
Da der Kathodenwiderstand ja meist 10Ω beträgt, kann man den gemessenen Spannungswert dann einfach in Strom umrechnen. Die einzusetzenden Werte beziehen sich immer auf Volt (U), Ohm (R) und Ampere (I).
Der Zeitaufwand zum nachjustieren des BIAS beträgt etwa 10 Minuten. Besonders für Fernost-Verstärker gilt: Fängt der Netztrafo an zu brummen, zeugt das von Überlast. Drehen Sie die Ruhestromwerte soweit zurück, dass sich das Trafobrumm auf ein Minimum reduziert. Beachten Sie aber, dass nahezu jeder Trafo etwas brummt – manche mehr, manche weniger.
Ruhestrom komplett neu einstellen
Die alten Röhren müssen ersetzt werden? Sie wollten immer schon einen ganz bestimmten Röhrensatz ausprobieren? Dann wird’s lustig! Eines funktioniert aber garantiert nicht: dass man nämlich einfach so die Röhren austauscht.
Vorgehen wie unter Punkt 1 beschrieben. Röhrenverstärker einschalten und nach etwa einer Minute
2. Ruheströme „zudrehen“
Da wir nun eine sehr hohe negative Spannung an das Steuergitter gelegt haben, ist die Röhre also gesperrt – es fliesst kein Ruhestrom mehr. Da kein Ruhestrom mehr fliesst, misst man also auch keinen Spannungsabfall am Kathodenwiderstand.
Achtung: Es gibt Röhrenverstärker, da lässt sich der Ruhestrom nur in einem gewissen Bereich einstellen. Eine sehr löbliche Schaltungstechnik, übrigens. Dann ist der Spannungswert auf den niedrigsten Wert einzustellen. Am besten man merkt sich den ungefähren Wert (z.B. 0,25 Volt). Wenn so eine Schaltung vorliegt, dann kann man eigentlich nicht zuviel oder zuwenig „Gas“ geben.
Röhrenverstärker ausschalten und Röhren abkühlen lassen, abziehen und den neuen Röhrensatz einstecken. Moment! Der neue Röhrensatz ist auch wirklich für Ihren Röhrenverstärker geeignet?
Ja?
Sind Sie sicher?
OK. Röhren einstecken, Röhrenverstärker einschalten und etwas warten…
3. Sie messen wirklich „Null-Volt“?
Achtung:
Das ist ärgerlich, kommt aber leider immer wieder mal vor. Ein seriöser Händler tauscht diese dann natürlich aus. Sie können diese Gefahr minimieren, wenn Sie sich ein ausgemessene Röhren zuschicken lassen. Ich persönlich bin zwar kein Freund davon – aber ich zähle mich auch nicht unbedingt zu den „Beginners“.
Alles in Ordnung? Dann
4. Ruheströme einstellen
Lassen Sie den Röhrenverstärker ruhig mal 15 Minuten vor sich „hinglimmen“! Unter Aufsicht natürlich.
Achtung: Manchmal bequemt sich eine Röhre nur mühsam in den Arbeitspunkt. Es wäre fatal, wenn man auf einen Schlag den gewünschten Ruhestrom einstellt. Solche Röhren brauchen eben Zeit, bis sie ihren Arbeitspunkt „findet“. War man bei der Einstellung zu hektisch, kann es passieren, dass die betreffende Röhre nach etwa 10 Minuten nicht 30mA Ruhestrom aufweist, sondern 60mA. Und „rote Backen“ zeugen von einer komplett falschen Ruhestromeinstellung. Also besser erst mit niedrigeren Ruheströmen anfangen, warten (Kaffee trinken), kontrollieren, langsam hochdrehen, warten (Kaffee trinken) und nochmals kontrollieren. Erst wenn die gemessenen Werte über einen längeren Zeitraum stabil bleiben, können Sie langsam auf etwa den Maximalwert aus der zuvor genannten Tabelle „hochdrehen“.
Der Zeitaufwand für das komplette Neu-BIAS-ing: etwa 20 Minuten bis 30 Minuten. Je mehr Zeit Sie sich nehmen, desto besser.
Das wars.
Je nachdem wie oft und wie lange Sie nun mit Röhren hören, wird eine Nachkontrolle und evtl. Nachjustage in zwei bis drei Monaten fällig. Danach dürften sich die Röhrenwerte stabilisiert haben und können nun für eine lange Zeit Musik geniesen. Es ist übrigens absolut unsinnig, vor jeder „Hör-Session“ die Ruheströme abzugleichen. Das hat man früher auch nicht gemacht. Ok, ab und an kann man ja mal nachschauen aber machen Sie bloss keine Religion davon.
Hm… Da fällt mir gerade ein, dass ich bei meinem Röhrenverstärker auch mal die Ruheströme kontrollieren sollte. Der letzte Abgleich ist nämlich fast zwei Jahre her…
Happy listing.