Eintakter mit Coolness-Faktor (Teil 1)

Eintakter Elektrik-Tik

Die Elektrik auf der Platine. Ohne genau die Schaltung aufzudröseln, sorgte sie wohl für eine antiseptische Spannungsversorgung für die Treiberröhre. Die Schirmgitterspannung wurde auch wohl noch mit einem Regelnetzteil „aufbereitet“. Bestückt mit schon längst abgekündigte Leistungstransistoren – wovon einer „extern“ an die Deckenplatte geklebt war. Der ebenfalls auf der Platine verbaute integrierte Schaltkreis (IC) war nicht zu identifizieren.

Heisst auf gut Deutsch: Hauchen die Halbleiter die andere Hälfte des Leiterseins aus, dann ist Schicht im Schacht…

Der Ladekondensator nach dem Röhrengleichrichter war zwar richtig dimensioniert, dann folgte nach der Drossel typischer „Kapazitätsbombast“: Zweimal 100µF parallel (entspricht 200µF). Auch die Drossel geizte nicht mit Henrys: Gemessen wurden 10H.

Befestigt wurde die Platine mit Gewindestifte und Abstandshalter aus – Kunststoff. Äh… Nun gut. Die gesamte Beschaltung dieser Eintakter lässt sich auf diese L’Audiophile-Schaltung herunterbrechen.

original-schaltung

Die Waschmaschinen-Kondensatoren erwiesen sich als PCB-freie Ölkondensatoren. Herstellung, lt. Aufdruck, 1989 bzw. 1991. Die haben die besten Jahre also schon hinter sich, was sich später bestätigen sollte: Die Kapazitäten kratzten bereits an der unteren Toleranzgrenze…

Neben den üblichen Metallwiderständen gibt’s noch einen dicken 470.000pF-Koppelkondensator (0,47µF) aus der Glimmer-Fraktion. Richtig gelesen! Glimmer, der isoptopische Quantenheuler der 1990’er-Jahre. Für’n „paar Mark fuffzich“ ging das Teil aber auch nicht über die Ladentheke. Das könnte der Grund für den merkwürdigen Klang gewesen sein.

eintakter06

Der Knaller

Danach folgte der 300B-Gitterableitwiderstand von 220kΩ. Und jetzt wird’s richtig „schick“: Es folgte eine kleine UKW-Drossel (Schwingschutz? Warum?) und das Maß randvoll machte dann ein kleiner Styroflex-Kondensator (etwa 15pF) der vom 300B-Gitter gegen Masse beschaltet war. Da hat man aber jemanden mit der Kneifzange geholt…

eintakter06a

Zu Glimmer generell lässt sich noch sagen, dass dieses Dielektrikum bevorzugt in der HF-Technik oder in Klangregelnetzwerke ab etwa 4kHz eingesetzt wurde bzw. wird. Im Gegensatz zu reinen Ölkondis färben sie den Klang eher „hell“ bis „schrill“ ein. Homoöpathisch eingesetzt, kann sich das vorteilhaft auswirken. Mit Homoöpathie hat das hier aber nix mehr zu tun. Der Styroflex-Kondi sollte da wohl etwas gegensteuern…

Nanu?

Wider Erwarten gibt’s aber keine Gegenkopplung. Nanu? Gerade die L’Audiophile-Schaltungskonzepte „blühen“ erst dann richtig auf, wenn mehr oder weniger „sanft“ gegengekoppelt wird. Bei über 96dB-Lautsprecher geradezu eine Pflicht. Und ganz besonders, wenn man die „hochverstärkende“ und gleichzeitig auch empfindliche 310A als Treiber verwendet.

Später sollte sich auch noch herausstellen, dass die wechselspannungsmäßig beheizte 300B vorsätzlich mit etwa 4,5V auch noch unterheizt wurde (ist heute noch eine Marotte, wenn’s sounden soll, aber auf die Lebensdauer der Röhre gepfiffen wird), denn auch nach Gleichrichtung und entsprechender Siebung wurde später unter Last nur 5,3V gemessen. Die Punktlandung „5V“ zu erreichen war so schwer nun auch wieder nicht…

Achja, das Kabelzeuchs: Durchweg „sauerstofffreies“ Kupfer. Teilweise „wired wrapped“ mit fetter Lötzinnschicht. Die interne Netzverkabelung war auch so eine spezielle Geschichte. Die Metallwiderstände hoffnungslos überdimensioniert. Wenn 2W-Widerstände schon einen „Sicherheitszuschlag“ beinhalten, was sind dann 4W? Mit 75mA Ruhestrom wurde die 300B auch nicht gerade zärtlich behandelt.

Tja…

Da hat man sich also ein einigermaßen ausgereiftes Schaltungskonzept „ausgeliehen“ und verhunzte es dann mit Bauteilen vom Discounter für „Unmögliches und Wunderdinge aller Art“. Und als ob das nicht schlimm genug gewesen ist, mischte man noch kräftig vermeintlich neueste technische Errungenschaften dazu.

Das war die vermeintlich elitäre „High-End“ Szene (mit dem Musikprogramm der Deutschen Grammophon) der 1980’er- und 1990’er Jahre. Egal, jetzt erst einmal einen 20’er Maulschlüssel organisieren… Es gibt viel zu tun.

Stay tuned…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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