Röhrenverstärker von Decca

Zweiter Eindruck

Konzentrieren wir uns auf das Netzteil. Hier ist der Becherelko (100µF + 64µF/500V) bereits – völlig zurecht – „deaktiviert“ worden. Die etwas lieblos angebrachten Ersatzkapazitäten (von ITT, bestenfalls 1980’er Jahre) wollte ich allerdings nicht so stehen bzw. schweben lassen. Seitlich ist ein 68µF-Becher (485V) angebracht, dessen Funktion mir noch nicht klar war.

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Der grosse Quader neben dem Becherelko entpuppt sich als 8µF/600V Papierkondensator der als Ladekondensator für den Röhrengleichrichter diente. Die Befürchtung, dass es sich um eine PCB-Bombe handelt, bestätigte sich – getrommelt und gepfiffen – nicht. Er ist nur etwas Altersschwach.

Die Überprüfung der eigentlichen Verstärkerschaltung ergab soweit keine Überraschungen und damit keine nennenswerten Auffälligkeiten.

Das Netzteil

Da ich das Elko-Konglomerat weg haben wollte, musste ein neuer Becherelko (500V / Spitze 550V) her. Der findet sich relativ schnell und konnte schlussendlich mit etwas Improvisationskunst auch sicher (!) verbaut werden.

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Warum die Spannungsfestigkeit von max. 550V? Na, weil der Lade- und der Siebkondensator eine Spannungsfestigkeit von 600V aufwiesen. Da sollte man also vorsichtig werden. Ich sag’s jetzt schon: Gutes Näschen gehabt.

Dieser Becherelko bot mir sogar noch eine zusätzliche 50µF-Kapazität an. Prima, kann man für den GZ34-Gleichrichter (erlaubt sind ja max. 60µF) nutzen. Kurz & gut: Die (provisorische) Neugestaltung des Netzteils ging relativ zügig und problemlos über die Bühne. Kurzer Test: Lastfrei rund 550V Leerlaufspannung. Trotzdem – da scheint etwas nicht zu stimmen (vor allem, weil im Decca-Plan eine Betriebsspannung von 370V angegeben war).

Ohne weitere „Gegenmaßnahmen“ liegt diese Spannung auch als Kaltspannung kurz nach dem Einschalten an allen Bauteilen an. Bis die Röhren eine Last bilden und damit einen Spannungsabfall erzeugen, dauert es etwas. Mullard gab seinerzeit 500V-Spannungsfestigkeit bei allen Siebkondensatoren an.

In diesem Decca waren laut Bilderanalyse ebenfalls 500V-Elkos verbaut. Man hat ja „früher“ alles gemacht (heiss werdende Widerstände waren beispielsweise normal), nur nicht ohne grosse Not mit den Toleranzen bei der Spannungsfestigkeit von Elkos gespielt. Keine Frage, da sind ein paar Volt zuviel im Spiel. Ach ja: Sie erinnern sich an die 350V-Elkos von Siemens…?

Netzteil steht. Nun nur noch mal eben den Verstärkerzug angeschlossen…

Überraschungen a la Decca

Wenn man sich mit Oldtimer beschäftigt, sollte sich von Überraschungen (schönere Umschreibung für Tricksereien) eigentlich nicht überraschen lassen. Eigentlich…

Die erste Überraschung: Da sorgte ein „Entladewiderstand“ dafür, dass die Spannung auf 500V gezogen wurde. Fiel auf den ersten Blick gar nicht auf. Dieser Widerstand setzte sich aus zwei, seriell geschalteten, Widerstände zusammen. Der Wert dieser beiden Widerstände zusammen betrug keine 15kΩ (!). Nachteil: Die Dinger wurden sehr schnell sehr heiss. Brandheiss. Logisch. Hierzu sind weder im Mullard-, als auch im Decca-Schaltplan nähere Angaben zu finden. Hm…

Ich schmeisse die Widerstände erst einmal ’raus und vertage das „Problemchen“…

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Die zweite Überraschung: Da war ein Widerstand samt Siebkapazität (eben der 68µF/485V-Becher) zuviel im Spiel. Erst jetzt fiel auf, dass die EL34 nicht im Trioden- sondern im Pentodenmodus beschaltet worden sind. Später stellte sich heraus, dass das durchaus auch von Mullard so ähnlich angedacht war…

Ich habe es mir angewöhnt – gerade bei Oldtimern – dass ich jedesmal einen Testdurchlauf starte, wenn ich etwas in der Schaltung geändert habe. So auch diesmal. Die dritte Überraschung: In meiner (gebrauchten) RSD-GZ34 waren während der Aufheizphase kurze Gewitterblitze zu erkennen.

Ein „Hardware-Fehler“ lag nicht vor. Aber ein „Software-Fehler“. Des Rätsels Lösung ist hier nachzulesen.

Also hiess es, den Ladekondensator auf 10µF verringern. Leerlaufspannung nunmehr rund 530V. Die freigewordene 50µF-Kapazität des Becherelkos sollte nun für die Schirmgitterspannung genutzt werden.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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