6AS7G Röhrenverstärker „reloaded“

Mit einem Trioden-Sextett zu 15 HiFi-Watt.

Dieser Push-Pull Selbstbau-Röhrenverstärker mit 6AS7G-Endröhren wurde erstmals 1999 im Buch „Hören mit Röhren“ veröffentlicht und führte in der Selbstbauszene zu einer kleinen 6AS7G-Hype. Es entstanden später, mehr oder weniger, gelungenen Nachbauten und auch interessante, ungewöhnliche, Schaltungskonzepte. Mittlerweile hat sich der „Trubel“ um die 6AS7G gelegt, sie scheint sogar in Vergessenheit zu geraten. Das hat sie nun auch nicht verdient. Zeit also, für ein kleines Revival mit Detailverbesserungen.

Natürlich kann man mit der 6AS7G auch Single-Ended Röhrenverstärker bauen. Die beiden Triodensysteme (ist ja ’ne Doppeltriode) werden dann parallel geschaltet und leisten dann in etwa das, was eine 300B leistet. Deshalb bezeichnete man die 6AS7G auch als „die 300B für Arme“. Ganz so verächtlich muss es ja auch nicht sein, denn auch als Single-Ended macht diese Triode eine „gute Figur“. Wir bleiben hier aber beim Gegentaktverstärker.

6AS7G? Wer oder was ist das?

atma-sphere_monobloecke

So neu war die Verwendung der 6AS7G für NF-Zwecke ja nun auch wieder nicht. Als Doppeltriode war sie geradezu prädestiniert, um damit wattstarke OTL-Röhrenverstärker zu realisieren und gleichzeitig die Anzahl der Röhren in einem überschaubaren Rahmen zu halten. OTL-Röhrenverstärker weisen zwei charakterische Merkmale auf: Es „fehlt“ erstens der Übertrager (OTL = Output-Transformer-Less) und zweitens: Damit die Röhren aber überhaupt in der Lage sind, niederohmige Lautsprecher richtig anzutreiben, müssen mehrere Röhren, je nach gewünschter Ausgangsleistung, parallel geschaltet. Die „Atma-Sphere“ Röhrenverstärker sind die bekanntesten Vertreter dieser 6AS7G-„Röhrengräber“ (es geht das Gerücht um, dass für diese Röhrenverstärker ein kleines Kraftwerk gut ausgelastet sei…).

telefunken_6as7g winged-c_6h13c Wie andere Röhren auch (6C33S, 211, 845, EL504/9…), war die 6AS7G überhaupt nicht für NF-Zwecke vorgesehen. Ursprünglich diente sie als Regelröhre in Netzteilen oder als „Impulsverstärkerröhre“ (!) in amerikanischen Vollröhren-Fernsehgeräten. Genauso übrigens wie ihre „Schwestern“, die 6080 oder die 6082. Oftmals werden diese Röhrentypen als gleichwertig oder gar identisch bezeichnet. Was ihren Einsatz für diesen Röhrenverstärker betrifft ist das falsch, falscher gehts nicht. Also 6AS7G (gibts nur noch als NOS) oder das russische Pendant 6H13C. Das selektieren auf Systemgleichheit ist dabei keine schlechte Idee…

Verstärkertechnisches

Die Mitspieler in diesem Röhrenverstärker sind gute alte Bekannte: ECC83 (12AX7) und ECC82 (12AU7) – ebenfalls Doppeltrioden (das erklärt dann auch das „Sextett“ in der Überschrift). Dazu noch einen Röhrengleichrichter vom Schlage GZ34 (5AR4). Alles in allem: Nichts besonderes. Beschaffungsmässig sollte das alles also keine Probleme bereiten. Auch die Bauteile für den Unterbau (Widerstände, Kondensatoren) sind alles andere als „schwer zu bekommen“. Bleibt nur noch die Frage, wie man das alles „zusammen“ bekommt…

… Ich denke, die Antwort kennt jeder, der frihu.com kennt. Natürlich freiverdrahtet. Lediglich für das Netzteil „darf“ man eine zweireihige Lötleiste benutzen und sie ggf. zu einem Eylet-Board umfunktionieren. In der allergrössten Not ist auch eine simple Lochrasterplatine „erlaubt“. Für die eigentliche Verstärkerschaltung gilt aber: Je dichter die Bauteile an der Röhrenfassung angelötet werden, desto besser.

Die Besonderheiten bei diesem Verstärker:

 

  • Es werden durchweg (Doppel-) Trioden eingesetzt.

Die Befürchtung, dass dieser Verstärker den Klang durch übermäßige gradzahlige (k2/4) Klirranteile „versuppt“, ist unbegründet. Alle Trioden sind hier derart beschaltet, dass solche Klirranteile nicht ins Kraut schiessen.

  • Keine Über-Alles-Gegenkopplung.

Jubel brandet bei der militanten Anti-Gegenkopplungs-Fraktion auf! Einerseits haben sie ja Recht (Hauptargumentation ist ja, dass eine solche Gegenkopplung immer zu spät kommt), andererseits ist die Gefahr, dass aus dem Verstärker ein Hochfrequenzoszillator wird, auch nicht zu verachten. Fehlt die stabilisierende Gegenkopplung, dann kann das durchaus passieren – Ursache ist dann meist die doch sehr „grosszügige“ Verdrahtungsart! Deshalb bitte so dicht an den Röhrenfassungen löten, wie nur möglich.

  • Das Netzteil ist „etwas“ ungewöhnlich.

Entgegen jeder (heutigen) Empfehlung werden die Endröhren (also die 6AS7G) über einen Röhrengleichrichter mit Spannung versorgt und die Vorstufenröhren (ECC83, ECC82) mit einem Halbleiter-Gleichrichter. Aber gerade das macht diesen Verstärker aus und genau da ist eine Erklärung nötig…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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