6L6GC? Ja, warum nicht? Frei nach einem Roman aus dem Bereich Trivialliteratur „Es muss nicht immer Kinkless sein“. Wobei… Das stimmt ja so auch wieder nicht, das mit dem „Kinkless“. Dazu aber später. Wieder einmal muss ein gebrauchter Röhrenverstärker für den 6L6GC-Umbau herhalten. Umbau… Wie das schon wieder klingt. Schaltungsanpassung trifft’s besser.
Für dieses 6L6GC-Vorhaben bieten sich beispielsweise einige Cayin-KT88 Gegentaktverstärker an. In diesem Fall trifft’s den Cayin A55T, dessen Klang „klänglicher“ gemacht werden sollte. Der A55T ist hier übrigens kein Unbekannter, aber auf die Idee, 6L6GC oder KT66 einzusetzen, kam ich erst bei dieser Rettungsmission. Der A55T bietet für die 6L6GC nämlich genau das richtige Habitat.
Allerdings gilt die 6L6GC als stigmatisiert, da sie – so die verleumderischen Gerüchte – einen Knick in der Kennlinie aufweist. Und wenn der (europäische) HiFi-Junkie eins nicht leiden kann, dann ist es dieser Knick. Den hört er zwar nicht, es reicht jedoch, dass er es in einem esoterisch angehauchten Hochglanzmagazin gelesen hat.
Für HiFi taugen nur Röhren, die schnurgerade Kennlinien aufweisen. Und wenn schon Tetrode, dann bitteschon die „knicklose“ Variante, also KT-Röhren (KT = Kinkless Tetrode). Zumal die KT-Röhren ja auch optisch was hermachen. Warum nun also die schnöde 6L6GC?
6L6GC kurz & knapp
Alle Beam Power Tetroden haben einen gemeinsamen Vorfahren: die 6L6 (das G steht für Glas). Sie wurde vor dem zweiten Weltkrieg in den USA „erfunden“, um patentrechtliche Probleme mit Mullard (England) bzw. Philips (Niederlande) zu umgehen.
Anders als die europäische Pentode mit „echtem“ Bremsgitter, ist die 6L6 eine Beam Power Tetrode (sperrig übersetzt etwa Strahlbündeltetrode). Denn bei der Beam Power Tetrode befinden sich seitlich angebrachte „Strahlleitbleche“, die die Aufgabe des Bremsgitters übernehmen sollen.
Ausgehend von der 6L6 entwickelte man u.a die 5881 – mit 23W eine etwas stärkere 6L6-Version und erst danach kam es zur KT66 und noch etwas später zur KT88. Irgendwo in diesem Zeitstrahl entstand die 6L6GC, wahrscheinlich nach der KT66…
Kurz zu den Kenndaten: Die Anodenverlustleistung einer KT88 beträgt 42W. Eine KT66 bietet davon nur 25W (also genausoviel wie eine EL34). Die 6L6GC (auf dieses „C“ kommt es an) bietet 30W, während die einfache 6L6 nur 19W bietet. Aber jeder, der schon einmal mit EL34 oder 6L6GC etwas gebaut hat, weiss, dass diese Röhren locker für 35W bis 40W gut sind. HiFi-Watt, versteht sich.
Knick in der Optik
Tja, die frühen 6L6 wiesen tatsächlich diesen Knick in der Kennlinie auf. Vereinfacht gesagt trat der auf, wenn es bei bestimmten Spannungsverhältnissen zu einem verringerten Anodenstrom – bedingt durch auftretende Sekundäremmisionen von der Anode – kam.
Die 6L6GC mit ihrer 30W-Anode, wurde, wie bereits vermutet, wahrscheinlich nach der KT66 entwickelt. Erkenntnisse aus dieser Entwicklung flossen bei der 6L6GC mit ein. Vor allem, wie man die Sekundäremmision und damit den Kennlinien-Knick vermeidet. Kurz & gut: Die 6L6GC ist ebenfalls frei von Knick und Tadel. Kam nur leider etwas zu spät.
Denn mit dieser KT66 ging der knicklose Beam Power Tetroden-Hype eben los. Die KT66 avancierte in den späten 1950’er-Jahren schnell zur HiFi-Röhre schlechthin. Die Herren Walker (Quad) und Williamson waren Hardcore-Fans dieser Röhre.
Nebenbei
Die 6550 stammt direkt von der 6L6GC ab. Beide Röhrentypen sind in Musikerkreisen sehr beliebt. In HiFi-Kreisen sind es die entspechenden KT-Pendants. Im asiatischen Raum wird übrigens viel mehr mit 6L6GC gearbeitet, als generell in Europa…
Allen „einfachen“ Beam Power Tetroden ist gemein, dass sie recht „genügsame“ Gesellen sind. Wie übrigens auch die EL34 (Pentode). Heisst: Sie leisten unter moderaten Betriebsbedingungen ganz schön viel Watt. Die 6L6GC, beispielsweise, ist in Gegentakt locker für 40W gut. Da sind die KT-Varianten allerdings doch schon deutlich anspruchsvoller.
Alle KT-Röhren verlangen beispielsweise nach einem beschwingten Tritt in’s Gitter. Und richtig rund läuft es bei denen erst bei einer Betriebsspannung ab 450V aufwärts. Dazu muss das Netzteil auch in der Lage sein, die richtigen Ströme – stabil – zur Verfügung zu stellen (eigentlich eine Grundvoraussetzung).
Hinweis: Die KT77 ist eine Ausnahme. Sie ist „nur“ eine tetrodisierte EL34-Pentode. Nix anderes.