Jeder kennt wohl die Art von Fernsehunterhaltung in denen über Unerklärliches, mystisches und Geheimnisvolles berichtet wird. Über die „Spökenkiekerei“ kann man geteilter Meinung sein, manchmal machen sie sogar Spass. Wenn aber eine Röhrenschaltung einen „Mystic Factor“ bekommt, hört der Spass auf.
Was ist schon eine abrauchende Röhrenschaltung? Oder ein Fehler, der durch verpolte Bauteile zustande kommt? Das alles sind Dinge, die erklärbar sind (menschliches „Versagen“). Nein, diesen Mystic Factor wollte ich nicht. Mr Spock würde das Phänomen, über das nun berichtet wird, als unlogisch bezeichnen – was es auch ist. Es gab (und gibt) keine einleuchtende Erklärung.
Ausgangssituation
Single-Ended Stereoverstärker mit PL509 als Endröhre. Vorstufenbeschaltung interessiert nicht. Das gemeinsame Netzteil der beiden Stereokanäle ist CLC, also dicker Ladekondensator (C), Drossel (L), Siebkondensator (C). Auf dem Weg vom Übertrager zur Anode der PL509 müssen leider lange Kabelwege in Kauf genommen werden. Geht nicht anders. Keine Gegenkopplung.
Das Schirmgitter bekommt eine gesonderte, stabilisierte 140V-Spannung. Damit läuft die PL509 also im Pentoden- bzw. Tetrodenmodus.
Die elektrischen Messergebnisse sind unauffällig. Aber nicht das Oszilloskopbild beim testen. Hierbei geht es vom Signalgenerator über einen Koppelkondensator direkt auf das Steuergitter der PL509. Ruheströme sind für die PL509 sehr niedrig: 50mA.
Mystic Problem
Am Lautsprecherausgang produzierten die PL509 unterschiedlich hohe Amplituden des Sinussignals. Es lag kein Fehler – wie auch immer geartet – vor. Und die Übertrager waren / sind absolut identisch. Irgendwann fand ich heraus, dass das Überkreuzschalten der Anoden Abhilfe schaffte. Also Anode „linke“ Röhre auf „rechten“ Übertrager und umgekehrt. Damit waren die Kabelwege zwar noch länger, aber die Amplituden waren damit gleich. Hä?
Zur Erinnerung: Ein gemeinsames Netzteil. Das vertauschen der Anoden kommt einem Übertragertausch gleich.
Das Oszilloskopbild von den Anoden der PL509 zeigte prinzipiell das gleiche Ergebnis – mit einem Unterschied: Beide Sinussignale zuckten gleichzeitig langsam und regelmäßig hin und her. Also nicht auf und ab, was auf ein Schwingen hingedeutet hätte. Normalerweise hätte das Signal-Abbild ruhig stehen müssen. Aber, nein…
Fragezeichen sucht Ausrufezeichen
So suchte ich Rat bei amtlichen „Röhren-Psychologen“, die so manchen Kniff kennen. Ich erntete verständnisloses „Wollze mich verarschen?“ oder harmloser „Du, der erste April ist vorbei.“
Der letzte – und alles entscheidende – Hinweis kam dann von einem Haudegen der sich mittlerweile im Norden Deutschlands niedergelassen hat: Herrn W. aus B. Ich mag den knorrigen Herrn. Auch weil er verdammt ehrlich ist. Und weil er mich nicht sofort für „komplett verrückt“ erklärte.
Eine völlig unwissenschaftliche Erklärung, also eher Kaffesatzleserei: Da beide Verstärkerzüge aus einem Netzteil versorgt werden, „interagieren“ die PL509 untereinander. Irgendwie. Dazu kommen natürlich die langen Kabelwege und die Eigenschaften der PL509 (hohe Steilheit, niedriger Innenwiderstand…). So oder so ähnlich.
Äh… Klar. Warum bin ich nicht selber draufgekommen? „Will der mich nun endgültig fertig machen?“
Im Laufe der Unterhaltung kristallisierte sich als mögliche Lösung zwei zusätzliche Sieb-Widerstände heraus. Und das war es dann auch. Zwei „kleine“ Sieb-Widerstände nach der Drossel beendeten die „Interaktion“. Die Amplituden beider Kanäle waren gleich. Wie gewollt.
Das erinnert an die legendären Futterman H3C-Verstärker die nur Julius Futterman selber aufbauen konnte. Diese Verstärker neigten nämlich zu hochfrequenten Schwingverhalten, wenn nur ein paar Bauteile falsch (!) angeordnet oder ein Draht falsch (!) angelötet bzw. verlegt wurden.
Sachen gibt’s…