Damals wie heute

In den späten 1970’er und den „vollen“ 1980’er Jahren gab es zwei bedeutende Hobby-Elektronik Zeitschriften: Elektor und Elrad (Heise-Verlag). Beide bedienten das komplette Selbstbau-Spektrum, wobei Elrad (meine Meinung) damals etwas anspruchsvoller war. Hier sei exemplarisch das Vocoder-Projekt genannt. Was damals der Starschnitt von Bravo war, war (u.a.) dieses Vocoder-Projekt: Ein Mehrteiler.

Elrad

Anhand der Schaltpläne konnte jeder Bastler auch sehen, aus welcher Zeitschrift sie stammten. Elrads Zeichnungen waren eher „Normmäßig“, in Elektor’s Schaltbilder floss ein gewisser „künstlerischer“ Aspekt mit ein. Beiden war gemeinsam, dass man ein Selbstbau-Projekt erst nach zwei weiteren Ausgaben beruhigt starten konnte. Irgendwelche Fehler schlichen sich, besonders bei „grossen“ Projekten, immer ein, weshalb man besser auf etwaige Korrekturen gewartet hatte. Das Internet gab es damals nicht.

Beiden gemeinsam war auch, dass man sich dem Thema HiFi ganz nüchtern widmete und man nicht einmal ansatzweise Voodoo betrieb. Legendär ist der Edwin-Halbleiterverstärker von Elektor (1970) oder, zehn Jahre später, der „Rocker“-Röhrenverstärker von Elrad. Crescendo und Prelude von Elektor sowie der 500W-MOSFET PA-Verstärker von Elrad waren und sind heute noch interessante Selbstbauprojekte. Neben Musikreproduktion widmete man sich auch ausführlich der elektronischen Musikproduktion: Theremins, elektronische Blockflöte der Synthesizer „Formant“ (Elektor) sowie der schon erwähnte Vocoder von Elrad (Elektor brachte auch mal einen Vocoder) waren überaus lehrreich.

Berüchtigt waren beide Zeitschriften auch für ihre Scherzschaltungen (Fuse Destroyer) oder sinnbefreite elektronische Kabinettstückchen (Kühlschrank-Lichtaus-Alarm). Da wurde auch schon mal ein IC völlig zweckentfremdet. Fragen Sie mich bloss nicht, welches IC das war. Mit ein paar Bauteilen und einem Mikrofon „machte es“ aus einer normalen Stimme eine Roboterstimme oder man quakte wie Donald Duck. Elektronik kann und soll Spass machen.

Legendär auch die vielen Schaltungs-Applikationen. Von den damals aufkommenden Spannungsstabilisierern (zB. 7805 / 7905), Füllstandsanzeiger mit UAA170 für Bezintanks oder Echo- bzw. Hallgerät mit Eimerkettenspeicher, die man zu „Knacks-Unterdrücker“ für Schallplatten umfunktionierte. So manche – heute als Neuerung hochgelobte – „Schaltungs-App“ kennen viele altgediente Elektor- und Elrad-Leser schon seit langem.

In einem unterschieden sich diese Zeitschriften: Elrad pflegte damals schon den unverwechselbaren „Heise-Duktus“. Technische Zusammenhänge wurden (werden), wenn möglich, sehr einfach erklärt. Auch der „Umgangston“ in der Leserbrief-Ecke (Briefe, nicht E-Mails) war da manchmal schon sehr flapsig. So las ich vor kurzem Leserbriefe zu einem Röhrenverstärker-Selbstbauprojekt und bekam prompt ein Déjà-vu.

Damals wie heute…

… taucht die Frage auf, ob man statt des teuren Ausgangsübertrager nicht auch einen billigen Netztrafo verwenden kann. Oder wo man den Übertrager (bzw. den Komplettbausatz) woanders billiger kaufen kann, weil Anbieter XY – von dem das Projekt stammt – doch viel zu teuer ist (das Wort „Wucher“ fiel zwar nicht, man konnte es trotzdem herauslesen). Das war damals wohl selbst den Elrad-Leuten zuviel. Dementsprechend – mühsam Contenance bewahrend – fiel dann die Antwort aus.

Natürlich gab es auch Leserbriefe, die sich über ein Bauteil echauffierten. Meistens war es ein Elko, der bei einem Verstärkerprojekt im Signalweg lag. Oder HiFi-Röhrenverstärker (sowohl bei Elektor als auch bei Elrad), die als völlig antiquiert „verunglimpft“ wurden. Andere wussten es generell besser, sparten nicht an pauschaler Kritik oder monierten einen klitzekleinen Fehler, der doch überhaupt nicht vorkommen dürfe.

Neben den eigentlichen Elektronik-Bastelkram hatte die Leserbrief-Seite immer einen gewissen Unterhaltungswert. Trotz redaktioneller „Überarbeitung“ musste man so manchesmal als Autor ein „dickes Fell“ haben.

Diesbezüglich hat sich nichts geändert.

-Friedrich Hunold-

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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