Ave SRPP!

Ok, ganz so streng soll man nicht sein, denn SRPP ist schon genial – wenn man es denn auch richtig macht. »Was soll man denn bei den vier Bauteilen grossartig falsch machen?«, werden Sie sich sicher fragen.
Viel mehr, als man denken mag.

SRPP: Cuias es?

Die SRPP-Schaltung kommt, wie so vieles, aus der Hochfrequenztechnik und ist legitimer Nachfolger der Cascode-Röhrenschaltung. In diesem Bereich der Elektrotechnik ist es ganz wichtig, dass nur das eigentliche Signal »behandelt« wird – am besten ohne irgendwelche »Abfallprodukte«, wie z.B. Oberwellen, zu produzieren. Das konnte man früher zwar noch (irgendwie) mit Pentoden erreichen, leider störte immer das unvermeintliche Eigenrauschen der Pentode. Je mehr man von der Pentode Verstärkung verlangte, desto höher eben auch das Rauschen. Und der Klirr (Oberwellen). Logisch, oder?

Die Cascode war die Lösung: Hohe Verstärkung, geringstes Eigenrauschen, über einen weiten Frequenzbereich sehr linear und äusserst Klirrarm. Um diese Eigenschaften zu erreichen, wurden allerdings spezielle Röhren benötigt, denn einen grossen Nachteil hat diese Schaltung: Das obere Röhrensystem unterliegt einer höheren Belastung als das untere System.

Röhren vom Schlage ECC84 (PCC84, 6N14P, 6DW7) oder die Spanngitterröhren ECC88 (6DJ8, PCC88, PCC189…) sind zu diesem Zweck (auch) mal entwickelt worden.

Die Röhren, die man heute üblicherweise für SRPP einsetzt (ECC83/12AX7, ECC82/12AU7, ECC81/12AT7, 6SN7GT…) sind für diese Schaltungsart nie gedacht gewesen und machen – auf kurz oder lang – auch Probleme (Man wird in alten Schaltbilder keine Cascodenschaltung mit diesen Röhren finden!).

Ein mittlerweile bekanntes Problem: Irgendwann pfeift uns die SRPP was… (Das wurde damals, in dem Ursprungsartikel aus dem Jahr 2006 ja vehemment geleugnet, ist inzwischen aber »hochoffiziell« als »SRPP-Krankheit« anerkannt). Aber auch mit den Röhren 6N1(P), 6N2(P) oder 6N3(P)… scheint es relativ gut zu laufen… Achtung! Relativ heisst relativ.

SRPP: Quo vadis?

Da, wo Licht ist, ist auch Schatten und so hat die »nackte« SRPP natürlich ein paar »Macken«, die man im Laufe der Zeit auszumerzen versuchte. Es entstanden verschiedene SRPP-Mutationen die sich teilweise nur im Detail von der Ursprungsschaltung unterscheiden. Als Beispiele seien hier »White-Kathodenfolger«, »SEPP«, »Totem Pole« oder »Mu-Follower« genannt. Man muss manchmal schon genau hinschauen, um die Unterschiede zu entdecken und nur Korinthenkacker echauffieren sich darüber, dass man einen »White-Kathodenfolger« einfach als SRPP bezeichnet…

Um es vorweg zu nehmen: Der von John Broskie (Tubecad) entwickelte Aikido-Vorverstärker ist das Ergebnis, aus der Ur-SRPP Schaltung noch etwas besseres zu machen. Ich habe diesen Vorverstärker noch nicht nachgebaut – er scheint aber recht gut zu sein. Als Vorverstärker, wohlgemerkt.

Wie eingangs erwähnt, wird heute die SRPP (nebst ihren Mutationen) vorzugsweise als Ersatz für eine Treiberschaltungen in Röhren-Vollverstärkern genommen. Im Bereich der Vor-Verstärkung, zB. im Phono-Bereich, ist die SRPP (nebst Mutationen) allerdings fast schon ideal. Als reiner Line-Verstärker jedoch vollkommen übertrieben – es existieren heute ja kaum noch Signalquellen, die so hoch verstärkt werden müssen, z.B. Eingangspegel von etwa 250mV auf 775mV oder 1 bzw. 2 Volt.

Man findet heute eigentlich keine reinrassige SRPP-Röhrenschaltung. »Reinrassig« ist dabei bewusst eng ausgelegt! Meist erweist sich die SRPP als eine »umgefrickelte« Röhren-Grundschaltung, die mit SRPP an sich nichts mehr zu tun hat. Die Schaltung sieht zwar so aus als ob, sie funktioniert aber nicht so.

Oftmals entpuppt sich nämlich die verunglückte SRPP-Schaltung (häufig zu finden in importierte »Integrated Amplifiers«) als simple Kathodenbasisschaltung mit einem Röhrensystem als Arbeitswiderstand (Anodenwiderstand). Und wenn man doch mal auf eine korrekte Schaltung trifft, dann ist sie hochohmig abgeschlossen und hat dann im Prinzip einen tollen Rauschgenerator.

Oder einen prima Oszillator.
Oder beides.

Mittels einer straffen Gegenkopplung wird die Schaltung dann zur Räson gebracht. Damit treibt man aber den Teufel mit dem Beelzebub aus: Die hohe Verstärkung wird erheblich vermindert und die gute Dynamikeigenschaft geht den Bach hinunter.

SRPP: Conditio sine qua non

Ⅰ.
Für eine »richtige« SRPP sind zwei exakt gleiche Röhrensysteme mit ebenfalls zwei exakt gleiche Kathodenwiderstände (Rk1 und Rk2) notwendig. Kein Kondensator parallel zu Rk2. Nix. Das war’s.

Ⅱ.
Eine enorm stabile und vor allem eine saubere Betriebsspannung, die meist weit oberhalb dessen liegt, als das, was in den Datenblättern steht. Wird die erste Bedingung eingehalten, relativiert sich die Höhe der Betriebsspannung schnell: An jedem Röhrensystem (Anode!) liegt exakt die Hälfte der Betriebsspannung an.

Ⅲ.
Setzt hier auf zweite Bedingung auf! Gerade im Einschaltmoment unterliegt das obere Röhrensystem aufgrund der hohen Betriebsspannung einer hohen Belastung. Die Isolationsschicht zwischen Kathode und Heizfaden kann dann Schaden nehmen. Es explodiert zwar nichts, aber dieses Röhrensystem macht sich bei defekter Isolationsschicht durch Pfeifen (oder auch Brummen) im Lautsprecher bemerkbar.

Um diese Isolationsschicht zu schützen, muss hier die Heizspannung hochgelegt werden und zwar auf einen Wert, der weit unterhalb des maximalen Uf/k-Wertes liegt. Wie hoch die maximal sein darf? Ein Blick ins Datenblatt verschafft Klarheit! Oder einfach den Uf/k-Artikel lesen.

Ⅳ.
Was eine richtige SRPP ist, so arbeitet sie vorzüglich an einer festen, niederohmigen Last (Endstufe, Kopfhörer…). Diese Bedingung wird aber nicht eingehalten, wenn SRPP auf eine 08/15 Phasenumkehr arbeiten muss oder als Treiber in Single-Ended Röhrenverstärker dient. Dann nämlich herrscht »Zickenalarm«, weshalb man dann anfängt, die SRPP »umzufrickeln«.

Der Abschlusswiderstand (Rout) nach dem Kondensator ist eigentlich ebenfalls essentiell wichtig für SRPP. Nn vielen Schaltungen, wo SRPP als Treiber eingesetzt wird, übernimmt der Eingangswiderstand (Eingangsimpedanz) der nachfolgenden Verstärkerstufe diese Funktion. Der Kondensator hingegen hat nur die Aufgabe, die hohe Gleichspannung, die hier anliegt (Ub/2) abzublocken. Bedingt durch den notwendigen niedrigen Ohm-Wert von Rout muss die Kapazität hoch genug gewählt werden, um die untere und obere Grenzfrequenz »nicht zu früh zu erreichen«.

Ⅴ.
Die Bauteil-Anforderungen sind nicht unerheblich. Für SRPP müssen engtolerierte, rausch- und klirrarme Bauteile verwendet werden. Carbon Composit? Vergessen Sie’s.

So und nicht anders sieht nun also ‘ne echte SRPP aus:

srpp_00

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

Kommentare sind geschlossen.