Ave SRPP!

SRPP-Krankheiten

Gerade in Vorverstärkern kann diese Röhrenschaltung Probleme bereiten: Sie pfeift uns irgendwann was. Oder sie überrascht uns mit einem lustigen Hörspiel – es zirpt, krächzt, raschelt, rauscht, „wabbert“…

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Ein Grund: Das obere Röhrensystem unterliegt einer hohen Uf/k-Belastung. Und um das genau zu verstehen, muss man SRPP etwas „aufdröseln“ – dann erkennt man, dass die SRPP eigentlich aus zwei Röhrengrundschaltungen zusammengesetzt ist: Die obere Röhre arbeitet ähnlich einem Kathodenfolger, die untere Röhre ähnlich einer Kathodenbasis welches eigentlich verstärkt und das um 180° verschobene Signal dem oberen Triodensystem zuführt. Dieses obere System nun arbeitet nun in einer Doppelfunktion: Einerseits als „stromgeregelter Anodenwiderstand“ (shunt regulated) für das untere Triodensystem, andererseits als „verstärkender Impedanzwandler“. Der Witz hinterher: Das Signal liegt hinterher in genau der gleichen Phasenlage am Ausgang an, wie es eingespeist wurde, was ja eigentlich bei einem reinrassigen Kathodenfolger so ja nicht möglich ist. Damit es hinterher jedoch phasenmäßig wieder stimmig wird, kommt nun die Serienschaltung beider Triodensysteme ins Spiel.

Die Spannungsdifferenz Kathode Heizfaden sind beim oberen Röhrensystem, wie bereits mehrfach geschrieben, immens (gerade in Vorverstärkern – kleine Signalpegel, hohe Betriebsspannung) – nämlich etwas mehr als die Hälfte der Versorgungsspannung! Und wie bereits im Uf/k-Artikel dargelegt, ist der Kathodenfolger prädestiniert für allerlei lustige Fehlerbilder.

Es hilft nur, die Heizspannung auf festes Potential zu legen. Die Empfehlung, nur das obere System zu „impfen“, kann man getrost vergessen – es setzt zudem voraus, dass man zwei physisch getrennte Röhrensysteme einsetzt. Gerade im empfindlichen Vorverstärkerbereich werden die Röhren mit Gleichspannung beheizt und dann ist ein „Hochlegen der Heizspannung“ generell anzuraten – auch für das untere Röhrensystem.

Und es ist diese Doppelfunktion, die die üblichen Verdächtigen (ECC81, ECC82, ECC83, 6SN7GT…) – aufgrund ihrer mechanischen Konstruktion – eigentlich als ungeeignete Kandidaten ausschliessen. Und damit kommen wir zur anderen Erbkrankheit.

Wenn überhaupt, müssten LL- bzw. Military-Versionen eingesetzt werden – oder eben halt hochgenau gefertigte Spanngitterröhren wie z.B. ECC88, ECC189, 6DJ8… Noch besser sind Röhren, die explizit für derartige Schaltungen konstruiert wurden: z.B. die ECC84. Derartige Röhren sind nämlich mechanisch so gefertigt, dass sich die Systeme nicht von Wärme beeindrucken lassen. Es gibt keine thermischen Drift, die die Systemeigenschaften gravierend ändern können – äusserst sich z.B. im „Weglaufen des Arbeitspunktes“. Auch das berühmte „Einschwingen“ entfällt bei diesen Röhren (akustisch gesehen übrigens sehr „interessant“).

SRPP als Treiber

Wie bereits dargelegt, ist eine SRPP-Schaltung in Röhren-Vollverstärkern eigentlich das unsinnigste, was man machen kann. Und eigentlich hat Anzai so einen Anwendungsfall nicht vorgesehen.

Unsinnig deshalb, weil die hohe Verstärkung in 99% aller Fälle mit einer Gegenkopplung wieder so gemindert wird (gemindert werden muss), dass das Ergebnis einer simplen Kathodebasisstufe entspricht. In vielen Fällen würden zwei parallel geschaltete Kathodenbasisstufen wesentlich mehr erreichen, als eine „verunglückte“ SRPP-Schaltung. Und genau diesen Fall habe ich nur einmal gesehen und gehört. Und ich habe schon viele Verstärker gesehen und gehört…

Auch die vielfach anzutreffende 300B Single-Ended mit 6SN7GT-SRPP gehört in diese Kategorie. Rein verstärkungstechnisch gesehen leistet eine simple Pentode das Gleiche, wenn nicht sogar mehr… Aber darüber habe ich mich schon ausgelassen.

So ganz von der Hand zu weisen ist ein SRPP-Treiber aber auch nicht! Ein kluger Einsatz kann durchaus Vorteile bringen! Aber dann ist die „SRPP“ aber auch so beschaltet, dass ihre guten Eigenschaften zum Vorschein kommen und nicht durch Tricksereien versaubeutelt werden. Dass ich zuvor SRPP in Anführungszeichen gesetzt habe, ist kein Zufall, denn eine derartige Schaltung ist eigentlich keine „echte“ SRPP. Aber ich wollte nicht Korinthen kacken.

Übrigens: Wenn Sie auf eine SRPP-Schaltung stossen, dessen Versogungsspannung oberhalb oder gleich max. Uf/k*2 ist und bei dem nicht die Sache mit dem Hochlegen der Heizspannung erwähnt wird (oder im Schaltplan eingezeichnet ist), dann vergessen Sie diese Schaltung einfach. Die Chance, dass da noch etwas anderes nicht stimmt, stehen ungemein gut. Urteil: Nicht ausgegoren oder der Verfasser wusste nicht, was er tat. In Unkenntnis ist mir das auch schon passiert. Dieser Artikel ist daher auch als palam deprecari zu verstehen.

Fazit zum Schluss:

SRPP ist gut!
Wenn man damit umzugehen weiss…


Zwei wichtige, weiterführende, Links (Ur-alt, aber immer noch gut!)
Darf nicht fehlen: TubeCad-Artikel
Von ursprünglich Audio-Express ein nettes PDF: Optimized-SRPP.

Update 13.01.2019
Der Link zu AudioExpress lief einige Zeit in’s Leere. Erst kürzlich wurde ich darauf aufmerksam gemacht. Das entsprechende PDF ist nun lokal verfügbar.

Das eingangs erwähnte „Hiraga Anzai-San“ ist ein nicht korrektes Wortspielchen. Das „Anzai-san“ bedeutet im Deutschen etwa „Herr Anzai“. Die hier durchaus übliche Anrede „Die Herren Hiraga und Anzai“ gibt es im japanischen so nicht. Es kommt aber durchaus vor, dass man an einem Firmennamen das „-san“ anhängt. 😉

Zur Erklärung:
Beide Herren waren „dicke Kumpel“ (sehr dick, sogar) und missionierten in Sachen HiFi, wobei Hiraga sich sehr von „japanischer HiFi-Philosophie“ beeinflussen… hrm… inspirieren liess. Nicht nur Anzais SRPP-„Entwicklung“ wurde von Hiraga in Europa „nahezu blind“ promotet.

Wobei Anzai wohl höchstens das Kürzel SRPP „erfunden“ hatte. Das Schaltungsprinzip war schon seit Ende der 1940’er Jahre bekannt und wurde auch patentiert. Wo? In Amerika, natürlich. Nix mit HiFi made in Japan.

Auch andere fernöstliche Philosophien flossen ein und nahmen später doch recht groteske Züge an. Auch die eigentliche Lautsprechertechnik kam vielfach aus dem fernöstlichen Raum. Namentlich die „Voice of Theater“ Lautsprecher von Altec-Lansing. Der Verbreitungsweg (wie so vieles): Von Amerika ausgehend nach Japan wo die VoT’s dann „mutierten“. Hiraga „importierte“ die mutierte Version…

Der Vollständigkeithalber: Im fernöstlichen Raum hört man anders. Besonders die Lautsprecher benötigen da einen „Ausgleich“, damit es für „Langnasen“ erträglich wird…

Tipp: Wer sich Verstärkertechnisch auf Hiraga’s Spuren begeben will, sollte die Schaltung und besonders das Netzteil einer genauen Prüfung unterziehen.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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