WE-91 Bauteile
Wir sind immer noch in den 1930’er Jahren. Und Sie dürfen ruhigen Gewissens davon ausgehen, dass MKP-Kondensatoren ebenso unbekannt waren wie hochkapazitive Elektrolytkondensatoren (Elkos). Auch Carbon Composit Widerstände waren gänzlich unbekannt (Die kamen erst sehr viel später… Als das Gerangel um Kuba zu eskalieren drohte, tauchten diese Dinger »plötzlich« auch in Consumer-Geräten auf. Diese Widerstände sind nicht magnetisch – also induktionsarm – und sollen EMP-fest sein. Nur aus diesem Grund sind diese Dinger mal entwickelt worden!).
Das, was man hatte, waren Drahtwiderstände mit einer Toleranz von bis zu 20%. Das Qualitätsmanagement von Western Electric schrieb aber 10%-Widerstände vor. Das war zur damaligen Zeit das »Non plus ultra« und dementsprechend teuer. Und auch die Kondensatoren waren, bis auf wenige 20µF Elektrolytkondensatoren, Papier – bzw. Papier-Öl Kondensatoren. Aus Kostengründen wurden mehrere Kondensatoren zu einer Einheit (in einem Metallgehäuse) zusammengefasst. Zählen Sie mal im Schaltplan nach, wieviele »C2« oder »C4« Kondensatoren vorhanden sind.
Das grösste Schockerlebnis für den modernen HiFi-Röhrenbastler dürfte aber sein, dass für Kondensatoren im Picofarad-Bereich »Keramikkondensatoren« verwendet wurden. Jeder Elektronikbastler, der in den 1950- und 1960-Jahren den Lötkolben schwang, kennt diese verfluchten Dinger. Im Bild unten eine Beispielparade von historischen Kondis aus dieser Zeit (leider keine WE-Originale).
Wo wir gerade so schön beim »schocken« sind: Über die damaligen Übertrager sollte man kein Wort verlieren. Hochwertige Blechsorten gab es ebensowenig wie Vakuumtränkung. Derartige Übertrager würde heute keiner mehr ernsthaft einsetzen wollen.
Allen Anschein nach, wenn man die entsprechenden Unterlagen nicht ganz falsch deutet, wurden die Widerstände und Kondensatoren auch noch selektiert und bekamen eine Nummer (Part-Number). Es war genau vorgeschrieben, wo welcher Widerstand, bzw. Kondensator, mit welcher Bezeichnung einzusetzen war und wie er zu platzieren ist. Das ist so allerdings nicht ganz richtig. Man sprach in der Fertigung lediglich von »Part-Numbers«. Viele fleissige (meist elektronikresistente) Frauenhände fügten dann »Part-No. xy« an »Point a«. Und auch der Kabelbaum war eine Wissenschaft für sich. Grosser Vorteil: Die Servicetechniker konnten sich im Reparaturfall nahezu blind an dem Gerät zu schaffen machen.
Wer will denn damit heute noch »richtiges« HiFi realisieren? Die WebsitehiFi33.com gibt einen Einblick. Ob das HiFi ist, weiss ich nicht, die haben auf jedenfall jede Menge »Schbass inne Backen«. Dagegen ist die deutsche (europäische) Szene nur ein lahmes Kaffekränzchen. Und bitte – beim Anblick diverser Replikas und Originale – nicht neidisch werden. »Wir« haben’s damals ja nur weggeschmissen, »die da« haben’s nur aufgesammelt.
Aber diese Bauteile standen eben zur Verfügung und man musste das Beste daraus machen. Vor allem musste man Eins: Das leidige Brummproblem beseitigen. Glauben Sie mir – die Dinger haben gebrummt. Aber die haben weniger gebrummt, als man es sich vorstellen möchte. Und jetzt kommt echtes Know-How.
Brummprobleme gekonnt zu Leibe gerückt
Heute würde man bei Brummgefahr einfach einen dicken Elko in die Schaltung flanschen. Kostet ja nix. Damals aber schon. Abgesehen davon, dass es keinen 100µF-Elko gab bzw. schlichtweg unbezahlbar war. Was tun?
Man »schnappt« sich die 300B-Anodenspannung, führt diese über einen Widerstand (bzw. zwei seriell geschaltete Widerstände) und einen 2µF-Kondensator an das Schirmgitter der ersten Pentode. Eine lokale (bedingt durch den Schirmgitteranschluss, indirekte) Gegenkopplung die »nebenbei« auch noch den Brumm nahezu komplett eliminierte und (ganz wichtig) die Alterung der Röhre berücksichtigt (sonst müsste man das ja mit einem Regler nachstellen). Das funktioniert übrigens so nur bei dreistufigen Verstärkern (Stichwort: Phasenverschiebung je Verstärkerstufe).
Das funktioniert auch heute noch verdammt gut. Da wir heute in der Eingangstsufe kaum eine hochverstärkende Pentode einsetzen, sondern eher eine Triode ist diese Brummkompensation etwas anders zu gestalten. Und, im Falle einer Triode, ist der Anschlusspunkt eben an der Kathode, bzw. am Gegenkopplungspunkt. Und hier kommt wieder einmal der Qualitätsanspruch von Western Electric ins Spiel: Diese Technik setzt eine extrem streuarme 310A voraus, sonst hätte man anstatt Festwiderstände Einstellregler eingesetzt, um die Streuung auszugleichen.
Ein Hoch auf die erste Verstärkerstufe?
Und wo wir schon bei der ersten Verstärkerstufe sind… Hier fand auch die entscheidende klangbildende Maßnahme statt. Zumindest was man damals dafür hielt. Wenn man im Originalplan genau hinschaut dann ist das Schirmgitter über einen 500Ω-Widerstand auf positive Spannung gelegt. Parallel dazu findet sich ein recht kräftiges Boucherot-Glied (Serienschaltung von Kondensator und Widerstand, auch als Zobelglied bekannt). Die Wirkung hier und mit diesen Werten: Eine starke Absenkung der Höhen wodurch gleichzeitig die Tiefen »mehr Raum gewinnen«. Der Klang gewinnt an »Volumen«.
Der gute Williamson hat diesen Trick später nahezu perfektioniert. Mit wesentlich »dezenteren Werten« wirkt das auch heute noch und ist ein beliebter Trick gegen überschäumende Höhen und schwachbrüstige Bässe. Nennt sich heute übrigens, wenn gegen positive Spannung geschaltet, Lag-Netzwerk. Das gleich Filter, gegen Masse beschaltet, heisst dann Lead-Netzwerk. Letzteres hat sich z.B. im WE-142A, ein 6L6 Push-Pull Verstärker, »versteckt«. Würde man heute so nicht mehr machen!
So. Und jetzt wirds arg tricky und leider nicht mehr ganz so einfach.