Wahrhaft aristrokatische Ausmaße, diese L’Audiophile 300B Monoblöcke. Französische Aristrokatie, versteht sich. Gross. Wuchtig. Von edlem Geschlecht. Und wertvoll. Nicht wegen irgendwelcher Insignien, die den gesellschaftlichen Status darstellen wollen.
Nein, was diese Aristrokaten so wertvoll macht, ist die Röhrenbestückung. Wie zu Zeiten des legendären Single-Ended WE-91A Verstärkers sind die Verstärker standesgemäß gut bestückt mit je einer WE 310A, WE 300B und 5R4WGA. Alles Originale, versteht sich. Allein für die originale WE 310A wäre heute so mancher bereit, eine neue Revolution anzuzetteln oder sonstwie einen Deal der unmoralischen Art einzugehen.
Diese Verstärker sind übrigens auch ein gutes Beispiel, wie Single-Endeds aufgebaut werden sollten: Nämlich schlicht. Kein Schnick-Schnack. Kein Bling-Bling. Keine Zierleisten. Nix. Die L’Audiophile Verstärker „wirken“ auch so.
WE-91A auf französische Art!
Allerdings sollten die L’Audiophile 300B auch mal gewartet werden, denn mit der Zeit sind einige Bauteile mit Sicherheit nicht mehr ganz taufrisch. Ausserdem sollte man mal an ein „update“ denken – wobei „update“ eigentlich das falsche Wort ist. Man muss dabei bedenken, dass die 300B-Verstärker von L’Audiophile aus einer Zeit stammen, in der es hypermodern war, Tantal-Elkos zu benutzen oder sich in einer Kapazitätsorgie zu ergehen. Davon abgesehen schlummert unter der Haube manchmal „Merkwürdiges“.
„Update“ heisst, soweit zurückbauen, dass die L’Audiophile 300B zumindest Schaltungstechnisch Ähnlichkeiten mit dem Original bekommen. Heisst: Kein Tantal und (vor allem) keine Kapazitätsorgie.
Bedenken muss man auch, dass L’Audiophile (Hiraga) bzw. Lectron als Bausatz-Händler diese Verstärker meist als Bausätze auf den Markt brachte. Was der Bastler dann daraus machte, war dann „sein Ding“. Es gab auch pfiffige Händler, die diese Röhrenverstärker als „Fertignahrung“ anboten. Trotzdem – es gibt ein paar Sachen, die man besser nicht gemacht hätte oder machen sollte…
Do’s & Dont’s
Tantal-Elkos wurde besonders von Jean Hiraga (Autor von L’Audiophile) in den 1970’er / 1980’er Jahren als HiFi-technisches „state of art“ deklariert und man galt als total rückständig, wenn man diese Dinger nicht verbaute.
Das galt solange, bis der Werkstoff „Tantal“ so teuer wurde, dass solche Kondensatoren für Bastler unerschwinglich wurden. Hiraga hat seitdem nie wieder Tantal eingesetzt…
Dabei haben Tantal-Elkos zwei richtig fiese negative Eigenschaften: Sie vertragen nicht den Hauch von Wechselspannung und auch bei Ripplestrom (Wechselstrom, die dem Gleichstrom überlagert ist) zeigen sie schlimmste allergische Reaktionen. Bei den L’Audiophile 300B findet sich dieser Tantal-Elko an der Kathode der WE 310A, gepaart mit einem MKC und Styroflex.
So ein Kondensatorverhau war ein typisches Merkmal von Hiraga. Sorry Leute, bei einem Customize (Nein, besser: Wartung) fliegt das als erstes heraus und wird durch einen Audio-Elko (Ja, doch! Elko!) ersetzt (zudem noch kapazitätsmässig korrigiert).
Manchmal findet man auch ganz viele, ganz grosse, MKP-Kondensatoren als Siebkapazitäten. Leider sind sie für diesen Aufgabenbereich gar nicht gedacht gewesen und so mancher Bastler ist auf solche preiswerte „Empfehlung“ hereingefallen. Solche Kondensatoren dienen besser als Motor-Anlaufkondensator für (z.B.) Waschmaschinen…
Kennzeichnend für alle L’Audiophile 300B’s sind Unmengen an Kapazitäten. Für einen 8W-Verstärker geradezu Overkill. Auch das war typisch Hiraga.
In einem bestimmten Bereich sind diese Kapazitätswerte sogar völlig falsch dimensioniert.
Weiterhin werden bei einer „Wartung“ die 300B auf Gleichspannungsheizung umgerüstet. Der noch verbaute „Hum-Pot“ wird entfernt. Dieser macht dann keinen Sinn mehr. Damit aber dennoch eine „künstliche“ Kathode entsteht, werden hochwertige 5W-Symmetrierwiderstände (induktionsarmes Drahtmaterial) eingesetzt.
Der 300B-Gitterableitwiderstand wird ebenfalls verringert. Manchmal findet sich hier ein Widerstandswert, bei dem der Besitzer von Glück sagen kann, dass die Originale WE 300B noch nicht gehimmelt wurde. Im Originalplan wird zwar ein Wert von 250kΩ genannt, es ist aber nicht anzuraten, diesen Wert zu übernehmen. Schnappatmung überkommt einem auch, wenn man sich den Schaltplan von „Sound Practices“ ansieht…
Um dem Original noch näher zu kommen, sollte man sich mal den Original-Schaltplan zu Gemüte führen. Da gibts jede Menge „Tricksereien“ ohne die eine 300B gar nicht auskommt und die diesen Verstärker erst zur Legende werden liessen. So manche Nachbau-Lötstation hat das nicht verstanden und „vergewaltigen“ die 300B, um überhaupt so etwas wie „Klang“ zu erreichen.
Hinweis: Einige Modelle wurden in Deutschland als Fertiggerät vertrieben. Prinzipiell handelt es sich um einen fertig aufgebauten Bausatz. Alle diese Modelle weisen auch die gleichen Fehler und sicherheitsrelevante „Merkwürdigkeiten“ (Stichwort: Schutzleiter) auf.
High-End und Betriebssicherheit
Hier und an dieser Stelle mal ein ernstes Wort: Den Schutzleiter bzw. dessen Funktion irgendwie unbrauchbar zu machen, ist wirklich keine gute Idee. Bei nahezu allen Modellen, die zur Pflege hier waren, war „Erde“ ein Fremdwort. Mit Erdung und freundlicher Ermahnung, notfalls die Lebensgefährtin zu benachrichtigen, gehen die Verstärker wieder retoure!
Der Kathodenwiderstand der 300B ist oftmals der berühmte 880Ω-Widerstand. Mit diesem Widerstand pendelt sich der Ruhestrom, je nach 300B, „automatisch“ auf 65mA bis 70mA ein. Manchmal findet sich auch ein 1kΩ-„Ersatzwiderstand“. Wie bei L’Audiophile 300B üblich, sind diesem Widerstand ein MKP-Kondensator beigeschaltet.
Der Wert des Koppelkondensators (0,47µF) ist wohl aus einem historischem Irrtum heraus entstanden. Dieser belief sich in den 91A-Modellen auf lediglich 47 Nanofarad (nF) oder eben 0,047µF. Noch heute unterliegt man diesem Irrtum. 0,1µF reicht hier vollkommen aus, 0,22µF stellen das absolute Maximum dar. Perfekt wird es mit einem 0,12 bzw. 0,15µF Kondensator. Damit kommt die WE 310A oder die 6C6 auch wesentlich besser zurecht, denn die muss ja den Kondensator „bedienen“ können.
Anmerkung:
Der Einsatz von Full-Music 300B ist nicht ohne weiteres möglich!
Der Besitzer eines L’Audiophile 300B Legend war an und für sich begeistert, „mokierte“ aber, dass man nun sehr deutlich schlechte Aufnahmen (von denen es tatsächlich einige geben soll) von guten unterscheiden kann. Den Radiosprecher hört man atmen und überhaupt…
Viel besser.
So klingt westfälische Begeisterung.
Sein österreichischer „Leidengenosse“ mit L’Audiophile 300B „Monaural Power Amplifier“ war dagegen gesprächiger:
Nach einigen Hörerfahrungen gestern und heute muss ich sagen, wirklich schöne Durchhörbarkeit, Bässe und Höhen passen sehr gut, Mitten sind nicht dominant, sehr ruhiges und ausgewogenes klangbild[…]
Was verringerte und vor allem „richtige“ Kapazitäten so alles anrichten können…
Muss sein: Update Dezember 2017
Gelegentlich muss ich hannebüchene Geschichten um diese Monoblöcke hören. Viele haben das Zeug eine Werkstatt-Anekdote zu werden. Alle haben aber nur einen Zweck:
Nämlich Gebrauchtgeräte möglichst billig zu erwerben. Am besten sogar geschenkt.
Als Verkäufer lassen Sie sich davon nicht irritieren. Auch nicht von solchen Sätzen wie „Diese Verstärker sind nach der Wartung nicht mehr Original. Und das ist das, was die Kenner haben wollen“.
Das ist soweit richtig. Sie sind nach der Wartung noch näher dran an der historischen WE-Technik als das, was vorher da war. Auch L’Audiophile bzw. Hiraga soll „tatsächlich“ mal über’s Ziel geschossen haben… „Echte“ Fachleute wissen das.
Woher der „Geheim-Tipp“ mit dem deaktivierten Schutzleiter kommt, kann ich mir mittlerweile denken. Etwaige Brummprobleme löst man dadurch nicht. Auch nicht mit dem Verkauf von High-End Steckerleisten ohne Schutzleiteranschluss für den erdigen Six-Feet-Under Klang.
Update 2024