Militärröhren
Alte Bezeichnungen von amerikanische Militärröhren sind ein Kuddelmuddel. Mittlerweile kann man das sehr gut und leicht eruieren (so z.B. hier). Nahezu jede Waffengattung führte damals eine eigene Bezeichnung. Das US-Militär benutzte häufig einen Code, der mit VT begann, die Marine dagegen nutzte häufig einen Zahlencode. Luftwaffenröhren waren schon immer etwas Besonderes. So manche »zivile« Röhre führte in der Army / Navy kein Doppelleben, sondern ein Sechsfachleben. Irgendwann blickte man wohl selbst nicht mehr durch und man führte das JAN-Kürzel ein: Joint Army Navy. Übrigens: Bis heute werden die Röhren in »Metallkondom« völlig unterschätzt…
Besondere Vorsicht ist bei Phantasiebezeichnungen oder Eigennamen geboten:
Die aus Amerika stammenden National-Röhren sind oftmals umgelabelte Röhren deren Herkunft nicht immer ganz klar ist. Da können Perlen dabei sein, aber auch Nieten.
Marshall oder Fender bauen zwar (gute) Gitarrenverstärker, fertigen aber keine Röhren. Diese sind oftmals selektierte Ware aus Russland oder China (woher denn auch sonst?) wobei mehr Wert auf »Sound« gelegt wird.
Groove Tubes stellen ebenfalls keine Röhren her. Diese Gläser werden aus aller Welt zusammengekauft. Nur ein angehängter Buchstabe verrät, was da wirklich im Glas drin steckt. Es scheint ziemlich sicher zu sein, dass ein »R« für russischen Ursprungs steht (damit wird auch eine LL-Version gekennzeichnet), ein »S« für JJ und »C« für China. Der Buchstabe »B« scheint für russsiche Militärversionen zu stehen.
Schein und Sein
Und dann gibt es noch Röhren, die eine optische Augenweide sind – solange man sie nicht in Betrieb nimmt. Das sind vollkommen überteuerte Blender. Anfangs recht gut, altern sie jedoch auch sehr schnell – mitsamt allen Nebenwirkungen. Die Röhrenqualität driftet teilweise schon sehr arg. Viele »Wald-und-Wiesen Röhren« sind optisch extrem aufgehübscht und auf den teuren Namen umgelabelt – haben aber schlichte Shuanghuan-Wurzeln.
Auch sollte man sich nicht vom »Marketing-Gelaber« so mancher Vertriebsfirmen einlullen lassen. So manche Vertriebsfirma verspricht da etwas, was z.B. die Full Music Röhren (als Beispiel) überhaupt nicht leisten können. Gelegentlich bekomme ich Verstärker die der Kunde mit umgelabelten, schweineteuren, Röhren (aus den USA) bestückt hat. Das Gesicht des Kunden, wenn »gewöhnliche« Röhren oder NOS-Glas eingesteckt werden oder wenn sich die teuere Röhre als Full Music Röhre entpuppt – einfach unbezahlbar…
Klammer auf (
Mein Ying und Yang gerät immer noch aus dem Gleichgewicht, wenn Röhren mit Eigennamen und Phantasiebezeichnungen (je mehr Phantasie, desto teuerer) als das Non-plus-ultra beworben werden. Ich hatte das bereits im Jahre 2000 schon einmal geschrieben: Man geht zu einem fernöstlichen Hersteller und bestellt soundsoviel Röhren. Ab einer bestimmten Grössenordnung bekommt man das draufgestempelt, was man haben will. Gratis. Dann kommen markige Marketingsprüche hinzu…
Klammer zu )
Man könnte vereinfacht sagen, dass klappern zwar zum Handwerk gehört, aber – je lauter das klappern, desto mehr Schein.
Auch von den »ganz heissen Geheimtipps«, den Hypes, die durch die Foren gejagt werden, lässt man besser die Finger (gerade als Anfänger). Derzeit ist geschwärztes Glas garniert mit güldener Beschriftung total angesagt. Nachteil: Es liegen (noch) keine Langzeiterfahrungen vor – und damit meine ich Jahre, nicht Tage.
Forscht man nämlich nach, wie die Homepage der jeweiligen »Röhrenfirma« aussieht (so sie denn überhaupt vorhanden ist), dann kann auch ein Laie erkennen, dass vieles schlichtweg übertrieben ist. Nur ein ganz kleiner Tipp: Achten Sie mal auf die Bilder! Ein und das gleiche Bild einer Produktionsstätte habe ich schon mehrfach gefunden und ist mittlerweile uralt! Eine »neue Röhrenfirma« fertigt bestimmt keine Röhren auf Produktionsanlagen, die schon Konrad Adenauer gesehen hatte.
Tetroden
Egal ob sie »Beam Power« oder »Knicklos« heissen – das sind alles (amerikanische) Tetroden, nahe Verwandte der europäischen Pentode. Gegenüber den Pentoden besitzen die Tetroden einen etwas anderen Aufbau (anstatt Bremsgitter bündeln Bleche den Elektronenfluss, daher das sperrige deutsche Wort: Strahlbündelröhren). Dieser Aufbau hatte ursprünglich patentrechtliche Gründe. Quasi als Nebenerscheinung konnte man z.B. mit einer 6L6GC eine etwas höhere Leistung erzielen als z.B. mit einer EL34.
Bedingt durch den Aufbau klingt die Tetrode auch anders als reine Pentoden. Nachteil aller Tetroden: Sie weisen in ihrer Kennlinie einen charakteristischen Knick auf. Diesen Knick versuchte man zu beseitigen und irgendwann tauchten Tetroden auf, die keinen Knick mehr in den Kennlinien aufwiesen: die »Kinkless Tetrodes«, kurz KT-Röhren. So ganz nebenbei steigerte man auch hier die Leistung.
Achtung: Eine Pentode durch eine Tetrode (egal ob Beam Power oder Kinkless) zu ersetzen funktioniert in den seltensten Fällen. Umgekehrt natürlich ebenso. Die Betriebsbedingungen bzw. die Anforderungen differieren oftmals gewaltig.
Spezialfall KT88
Nochmals: Die China-KT88 ist keine richtige KT88. Eine richtige KT88 wird mit Betriebswerten gefahren, die eine KT88-98 oder eine amerikanische 6550 nicht lange mitmacht. Die Halbwertzeit dürfte bei etwa fünfzehn Minuten liegen!
Gold Lion KT88 sind (nahezu) zweifelsfrei gut. Leider bezahlt man diesen Röhren einen kleinen Hype-Aufschlag der durch nichts gerechtfertigt ist. Genau die gleiche KT88, aus der gleichen Fabrik, mit genau den gleichen Daten – jedoch mit einem anderen Namen bestempelt – kostet erheblich weniger.
Zur Not das Datenblatt von GEC oder Genalex konsultieren.
Zu guter Letzt:
Röhrendatenblätter
Solche Datenblätter gibt es nicht aus Jux und Dollerei. Man tut wirklich gut daran, sich vorher zu informieren, bevor man sich dem Tuberolling hingibt.
Röhrendatenblätter bei Frank Pocnet.