Röhrenverstärker Steampunk-Style

Netzteil

Jetzt wird’s interessant. Ich versuche es allgemein verständlich zu halten…

Als Röhrengleichrichter wird hier eine GZ37 bzw. CV378 genutzt. Daran hing diesmal – auch wenn es so aussieht – keine »normale« Siebkette. Also Ladekondensator, Drossel und dann ein Siebkondensator, kurz CLC. Als Siebkondensator wurde hier ein 220µF-Becherelko eingesetzt. Zur weiteren Siebung folgte noch ein LC-Glied – also eine Drossel und schlussendlich nochmals 220µF.

Anstatt Ladekondensator besteht die Möglichkeit, direkt eine Drossel anzuschliessen. In »Fachkreisen« als »Choke-Input Filter« bekannt (LC bzw. LCLC). Diese, aus der Antike der Röhrentechnik stammende Siebkette kocht immer wieder hoch, weil es irgendwelche Vorteile gegenüber der »normalen« Siebkette (also CLC) geben soll.

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Naja. Jede Schaltung hat Vor- und Nachteile. In diesem Fall jedoch kann ich keine Vorteile erkennen. Wie auch immer – der Bastler hatte es hier auf einen »Mix« ankommen lassen, also ein Zwischending aus LC- und CL-Filter.

Choke-Input Filter

Grundvoraussetzung ist, dass die Drossel (engl. Choke) und der dahinter geschaltete Kondensator richtig dimensioniert sein müssen. Man kann eben nicht so einfach eine x-beliebige Drossel nehmen und dahinter eine monströse Kapazität beschalten. Zumindest der erste 220µF-Kondensator ist hierbei völlig daneben. Üblich waren 2µF bis vielleicht 10µF.

Drossel und Kondensator müssen auf die der Gleichspannung überlagerte Wechselspanungsfrequenz (in Europa 100Hz, bei den Amis 120Hz) sowie der Stromentnahme berechnet werden, damit das wie gewünscht funktioniert.

Besonders bei dieser Filtertechnik macht man sich die Eigenschaft der Drossel zunutze, für Gleichspannung einen geringen Widerstand entgegenzusetzen, für Wechselspannung (der Gleichspannung überlagert) jedoch einen hohen (induktiven) Widerstand.

Aaaber…

Die Drossel muss allerdings entsprechend Spannungsfest sein (mindestens die dreifache Trafo-Wechselspannung), sonst kommt es innerhalb der Drossel zu Spannungsüberschlägen. Die Röhrenschaltung, die an einem solchen Netzteil hängt, muss eine relativ gleichbleibende Stromentnahme garantieren.

Schwankt die Stromentnahme zu stark, ist es Essig mit der Siebwirkung. Ein Merkmal einer jeder Drossel: Die Induktivität baut sich erst dann auf, wenn die Drossel entsprechend (also gemäß der Spezifikation) belastet wird.

Dabei muss die Drossel nicht nur Spannungsfest sein, sondern muss mit vielen Heinrichen daherkommen. Je nach Anwendung mindestens 10H bis vielleicht 30H. So etwas entsprechend Spannungsfest wird dann schon etwas grösser, schwerer und teuer.

Mit richtig dimensioniert Drossel kann man dann aus dem Netzteil etwa 95% des Nennstroms des Trafos entnehmen, »erzeugt« aber nur etwa das 0,9-fache an Gleichspannung. Bei »klassischer Siebtechnik« (also CLC) sind es etwa 65% des Nennstroms, aber das 1,41-fache an Spannung.

In the Mix

Also die »Mix-Schaltung«: Eine sehr kleinen Kapazität (unter 1µF) als Ladekondensator, danach eine 08/15-Drossel, gefolgt von einer 220µF-Siebkapazität. Der Ladekondensator bestimmt dann die Höhe der Ausgangsspannung, die sich irgendwo zwischen etwas über 0,9- bis etwas unter dem 1,41-fachen einpendelt. Die Spannungsfestigkeit des »Ladekondensators« muss hierbei ebenfalls mindestens das Doppelte der Trafo-Wechselspannung betragen.

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Gaaanz streng genommen ist das eine falsch dimensionierte CLC-Siebkette. Die Drossel braucht zwar nicht mehr den hohen Anforderungen einer echten »Choke-Filter Technik« genügen, aber sie wird trotzdem noch gut belastet. Und erst recht, wenn dahinter eine (viel zu) dicke Kapazität gehängt wird. Die Gefahr, dass das Eisen in die Sättigung gerät ist hoch.

Das ist, salopp ausgedrückt, nur ein Getrickse, wenn der Netztrafo nicht die richtige Spannung bzw. für CLC eine zu hohe Spannung zur Verfügung stellt. Hier lieferte der Trafo bereits rund 440V an. Bei DIY-Steampunk (Wiederverwertung) ist Improvisation eben alles. Der Netztrafo stellte aber noch eine andere, niedrigere Spannungsquelle zur Verfügung (etwa 340V). Warum die nicht mit CLC-Siebung genutzt wurde, weiss ich nicht.

Ein Umbau auf eine »normale« CLC-Siebkette (bei 340V Trafospannung) war also mehr wie ratsam: 3,5µF als Ladekapazität (von max. erlaubten 4µF), Drossel und zum Schluss die zwei 220µF Becherelkos, die allerdings seriell beschaltet wurden (ergibt dann 110µF). Zusätzlich wurde den Becherelkos ein »neumodischer« 10µF MKP parallel geschaltet. So weit so unspektakulär.

Hier ein PDF von RCA aus dem Jahre 1941. Da geht’s dann technisch zur Sache. Man muss jedoch beachten, dass sich die Berechnungen auf 60Hz bzw. 120Hz bezieht.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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