Hinweis: Die übliche Berechnung der unteren Grenzfrequenz funktioniert hier nicht, auch wenn das an anderen Stellen so behauptet wird. Suchmaschine anwerfen und das PDF „Radiotron Designer’s Handbook» (4. Ausgabe) suchen und ab Seite 484 nachlesen. Hier aber nicht auf den Seitenzähler des PDF-Programms achten, sondern die tatsächliche Seitennummer im Text heraussuchen.
Oder Sie ackern dieses PDF durch. Oder man macht es sich einfach und hält sich an die Faustformel. Damit liegt man auf jedenfall auf der sicheren Seite.
Goldene Regel: Alles, was den linearen Frequenzgang beeinflusst, sollte vermieden werden (das erledigen andere Bauteile von ganz alleine). Natürlich gibt’s Ausnahmen…
Noch ’ne Regel (für alle Zinnfolien- und Öltank-Verwender): Nur ein Kondensator, den man nicht hört, ist ein guter Kondensator.
Mist messen und andere Klopper
Das Standard-Messsignal ist ja nun einmal 1kHz. Misst man diese Treiberstufe nur mit 1kHz durch (egal ob Sinus oder Rechteck), dann benimmt sich diese Treiberstufe völlig unauffällig. Das ist aber wie ’ne Fata Morgana: Täuscht also gewaltig. Man misst also Mist.
Erst bei vergleichenden (!) Messungen mit vielleicht 100Hz und 10kHz werden die Diskrepanzen zu 1kHz überdeutlich. Das lässt sich auch nicht mehr schön saufen.
So ein Bockmist ist schon schlimm genug. Bei der „Treiberstufen-Rettungsmission» kamen in diesem Teil des Verstärkers aber noch andere Klopper zum Vorschein. Das, vom Besitzer, nur beiläufig erwähnte, sporadisch auftretende „zirpen» auf einen Kanal hatte hier seine Ursache.
Genau in dem Kanal übrigens, bei dem ein X2-Koppelkondensator mit Kupfer eine „Schirmwicklung» verpasst bekommen hatte. Ich hatte zunächst einen „Tuningversuch» in Verdacht. Aber nix da. Das kommt vom Hersteller.
Da muss jemand viel Leid gesehen haben…
Wie kann man so etwas nur vertickern? Gute Frage. Nächste Frage… Ein Ausreisser war / ist das (leider) auch nicht…
Die 2. Treiberstufe
Eine Anzai-Gedächtnisschaltung (SRPP). Erst diese Verstärkerstufe (ich nenne das Verbrechen an der Schaltungstechnik mal so) macht die eigentliche Verstärkung (plus ganz viel Gekreische ab etwa 3kHz). Das, was die Treiberstufe hier leistet, würde locker ausreichen, um die Endröhre in Class-A (ohne externe negative Vorspannung) nicht nur voll auszusteuern, sondern sie sogar etwas zu überfordern.
Aber auch hier findet sich ein, nur theoretisch, falsch dimensionierter Bypass-Kondensator. Theoretisch falsch nur aus einem Grund: Eine SRPP benötigt an dieser Stelle praktisch überhaupt keinen Kondensator. Und in dieser Treiberstufen-Schaltung sowieso nicht, wenn in der 1. Treiberstufe der Bypass-Kondensator richtig bemessen wird.
Und überhaupt… Ach, ist egal. Spielt auch keine Rolle mehr.
Mit Blindheit geschlagen?
Probleme mit dem Bypass-Kondensator gibt es noch bei der Endröhre (Hersteller-Standard). Was soll das werden, bei einem Kathodenwiderstand von 220Ω und einem Bypass-Kondensator von 4µF? Na, das hier…
Im Bild: Blaues Signal zeigt Verstärkung nach erster improvisierter Korrektur der Treiberstufe. Gelbes Signal: Quasi Auslieferungszustand. Zur Verdeutlichung ausgesteuert mit etwa 60%.
Phasenverschiebung und magerer Tiefton sind die Folge. Das ist selbst bei einem 1kHz-Rechteck deutlich sichtbar. Fällt hier akustisch nur nie nicht auf, weil die Endröhre ja mit Frequenzen oberhalb von 1kHz zugeschüttet wird und selbst vom Kammerton a (440Hz) nicht mehr viel mitbekommt.
Trotzdem: Wie blind muss man eigentlich sein? Und da fabuliert der Hersteller etwas von „Erfahrung»…