Ein EL34-Röhrenverstärker

Schlimmer geht immer

Wäre doch gelacht. Die übermäßig vielen Drahtverbindungen (ähnlich Klingeldraht) wurden mittels Wired wrapped hergestellt – plus dicker Lötzinnschicht. Das hält bis zum Ende der Welt und bekommt man nie mehr sauber gelöst. Echt jetzt, da werde ich zum Hassknecht.

Wie soll man im Reparaturfall defekte Bauteile entfernen – ohne dass dabei noch irgendetwas anderes kaputt geht? Da hatte man schon »damals« in den Werkstätten darüber geflucht, dass jeder Azubi im 1. Lehrjahr knallrote Ohren bekommen hatte.

Die Führung der Schaltungsmasse nebst Schutzleiteranschluss folgte – das nur noch nebenbei – auch einer sehr exklusiven Philosophie.

Im Zuge der Recherche fanden sich u.a. Schaltpläne aus denen hervorging, dass man der Röhrenauswahl der Vor- bzw. Treiberstufe scheinbar sehr flexibel agierte. Und nicht zuletzt ein Reparaturbericht (von ca. 2010). Letzteres bezog sich zwar auf eine Modell-Abwandlung, die eigentliche Verstärkerschaltung stimmte aber – bis auf Details – mit »meinem« Modell überein.

Der grosse Unterschied war nur, dass statt Elkobatterie im Netzteil nunmehr ein Drossel eingesetzt wurde. Wobei sich hier die Minimalstanforderung (!) an Sieb- und Ladeelko aus je zwei seriell beschalteten 250V-Elkos zusammensetzt. Die hierfür nötigen Spannungsteiler-Widerstände jedoch, waren wohl (wie Bauteile an anderen Stellen auch) Resteverwertung (komplett falscher Widerstandswert, wahrscheinlich aus den frühen 1980’er Jahren).

Vor- bzw. Treiberstufe

Was uns nun zur Röhrenbestückung führt: Was, zum Henker, haben in einer derartigen Schaltung zwei hoch verstärkende Doppeltrioden zu suchen (ausser sich zu langweilen)? Bevor die »HiFi-Fritzen« kamen, wurde sie im »TV-Tuner« eingesetzt. Grundig bezeichnete sie seinerzeit (Ende der 1950’er Jahre) als »Wunderröhre«.

In den älteren Modellen war eine Doppeltriode eine vollkommen andere Röhrentype. Eine Aussergewöhnliche zwar, aber eben komplett von einer anderen Fakultät und heute nur noch als schweineteuere NOS-Ware zu bekommen. Wozu und weshalb diese Röhre überhaupt mal entwickelt wurde, weiss keine Sau…

Die Pointe: Egal welche Röhre an dieser Stelle eingesetzt wurde, die Schaltungsdimensionierung war immer gleich. Der Aufbau übrigens auch: Je eine Hälfte der Doppeltrioden arbeiteten auf je einen Kanal. Soweit so gut. Was soll aber diese Schaltungstopologie bei zwei gleichen Röhren?

Ein »Tuning« oder »Customizing« war also so nicht möglich. Und hiermit gelobe ich nunmehr feierlich, dass ich nie mehr – ohne grosse Not – über China-Kracher lästern werde.

Demnächst in diesem Theater: Wie aus einem EL34- ein KT88-Eintakter wurde…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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