Ein EL34-Röhrenverstärker

»Dieser EL34 Single-Ended ist neu in meiner Sammlung und braucht frihu’sche Zuwendung«. So wurde mir dieser gebrauchte, gut 10 Jahre alte, Röhrenverstärker anvisiert. Trotz nicht ganz unbegründete Vorbehalte gegenüber einen derartigen EL34-Eintakter, gab’s grünes Licht. Bevor er hier eintraf, war Zeit für die übliche Recherche.

Dem gebraucht erworbenen Verstärker würde, so der Neu-Besitzer, klanglich »irgendetwas« fehlen. Und da ich in der Vergangenheit schon mehrere seiner Gerätschaften »auf die Sprünge« geholfen hatte, sollte nun dieser Eintakter ebenfalls eine klangliche »Schönheits-OP« spendiert bekommen. Trotz Bauchgrummeln (Erfahrung halt) gab’s eine Ausnahme.

Ausserdem – Jetzt wird’s interessant – würden die EL34 von Electro Harmonix eine leichte Schamesröte bekommen.

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Vorweg: Ähnliche Verstärker befinden sich, lt. Recherche, immer noch in »Produktion«. Nun, zehn Jahre sind eine lange Zeit… Wie die aktuellen Modelle aussehen, weiss ich nicht. Ich habe mich daher entschlossen, Hersteller und Gerät zu »anonymisieren«. Nur soviel: Es ist keine »Asia-Ware«.

Kraft durch Saft?

Bevor nun überhaupt ein Hörpröbchen genommen werden konnte, habe ich es mir angewöhnt, zuvor einen Blick in’s Innere zu werfen. In diesem Fall: Well done! Erst einmal ein paar, transportbedingte, »unfreiwillige« Verbindungen – im wahrsten Sinne des Wortes – zurecht gebogen…

»Nur« klanglich aufhübschen… Es kam aber so, wie befürchtet: Das Aufhübschen artete nämlich »etwas« aus. Nach Analyse der sehr luftigen freiverdrahteten Schaltung (»Was zum Henker…?«) und vor allem die Art wie aufgebaut wurde (eine gepflegte Horst Schimanski Gedächtnisvokabel), hatte ich den Papp auf. Entweder Deckel drauf, oder man baut diesen EL34-Eintakter komplett neu auf.

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Die leichte Schamesröte (Schirmgitterglühen) kam ja nicht von ungefähr. Was soll eine EL34 bei einer Anodenspannung von 430V, Schirmgitterspannung (Achtung! Jetzt keinen Herzkasper bekommen!) fast in Höhe der Betriebsspannung von 460V und einen Ruhestrom von über 75mA auch anderes machen? Ja, es mag ausgesuchte EL34-Exemplare gegeben haben, die das noch wegsteckten… Die Zeiten sind aber schon lange vorbei. Und das nicht erst seit zehn Jahren!

SE-EL34 ohne Verstand?

Das erinnerte doch irgendwie an eine Manley’sche Schaltungsadaption. Der hatte es ja auch mit solchen »Grenzerfahrungen«. Mit dem Unterschied, dass die EL34 im (spannungsstabilen) Pentodenmodus statt – wie hier – im verkappten (spannungswackeligen) Ultralinear betrieben wurden.

Sportliche 12W sind annonciert (Stimmt, das Oszilloskopbild gehört dann aber, ab etwa 4W, in den Giftschrank). In Class-A. In Ultralinear! Zwölf Watt – das scheint übrigens ein »branchenüblicher« Wert zu sein, auch wenn die Betriebsbedingungen weit weniger »speziell« sind. Und diese Leistungsabgabe soll – so die Angaben auf der Homepage – bereits mit nur 200mV Input erzielbar sein. Angeblich ohne Gegenkopplung. Angeblich deshalb, weil nämlich eine mäßig wirkende Gegenkopplung verbaut wurde.

SE-EL34 ohne Herz!

Der Klang… Wenn man das Klang nennen will – bitte: Merkwürdig steril. Vor allem irgendwie »laut«. Den klanglichen Keller ahnte man, ja, aber von da an bis zur mittleren Etage wurde die Luft dünn und dünner. Ungehemmt dagegen alle Frequenzen, die von der mittleren Etage hinausgingen. Ein »Testbericht« beschrieb das mit (Zitat)

[…] Womöglich ist es die schiere Frische und kristallklare Hochton-Ausdehnung, die diesen Verstärker einerseits tendenziell eher schlank, andererseits enorm detailfreudig klingen lässt; wer alles ganz genau wissen will, ist hier an der richtigen Adresse. […] Nervig wird der […] dabei nicht, wenngleich wir ihn weniger für nicht allzu bassfreudige Breitbänder empfehlen würden […]

Kurz und gut: Nix mit Noppenpelle. Kein Herz. Keine Seele. Kein Gefühl. Meine Meinung. Natürlich gibt es Ohren, die das anders »sehen« müssen oder wollen. Oder zum Selbstbetrug neigen und einen Subwoofer angeschlossen haben…

Dabei deutete das Oszilloskopbild es schon an: Bei einem ähnlich konstruiertem Eintakter von der Konkurrenz habe ich das Rechteck schon besser gesehen. Von eigener Qualität dagegen die sehr gut ausgeprägten Überschwinger… Dazu heisst es auf Wikipedia (Zitat)

Überschwingen tritt auf, wenn höhere Frequenzen stärker als niedrige verstärkt werden, insbesondere auch bei Resonanzen im Frequenzgang.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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