Simply Curiosa

Genauer Simply-845 Curiosa. Über derartige Verstärker an sich ist hier, da und dort schon einmal geschrieben worden. Also nichts, was eine Wiederholung rechtfertigen würde. Dass über diesen Simply nun trotzdem ein paar Zeilen folgen, hat mit dem (von mir erfundenem) Zusatz »Curiosa« zu tun. Diese »Auszeichnung« hatte sich dieser Röhrenverstärker nämlich redlich verdient.

Nun befindet sich Curiosa bereits in dritter Hand. Bis auf die 845-Flaschen, die vom jetzigen Besitzer vor einigen (wenigen) Jahren getauscht wurden, alles noch im Original-Zustand. Das hört sich nur im ersten Moment gut an. Wer jedoch Class-A Verstärker (im Allgemeinen) kennt, darf schon ein kleines bisschen stutzig werden. Über 20 Jahre alt und noch gar nichts ersetzt? Kennt man diese Verstärker (im Besonderen), ist da sofort auf »Hab-Acht«.

Die Schwachstellen dieser Verstärkerserie sind ja nicht wegzuleugnen… Nun sollte bei diesem Simply »Nägel mit Köppe« gemacht werden.

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Simply Audio

Weil nämlich wegen des »enervierenden« Klangbildes. Die Beschreibung des Besitzers dazu fällt ebenfalls in die Rubrik »Curiosa«, weil man geneigt ist, die Hauptschuld beim Lautsprecher bzw. seiner Aufstellung zu suchen.

Die verwendeten Lautsprecher sind auf Basis der Tannoy Oxford 125 plus zusätzlichem Fostex-Superhochtöner. Eine modifiziertes Schallwandler-Setup also. »Aha!«, mögen Sie sich jetzt denken, »Da haben wir’s doch schon.« Von wegen… Das Blöde nämlich dabei: Die Lautsprecher spielen an jedem anderen Verstärker. Nur eben nicht am Simply Curisosa.

Da wäre der dröhnende Bassbereich zu nennen. Hm…? Also, man kann dem Simply ja alles unterstellen, aber keinen dröhnenden Bass. Ja, es »rumst und scheppert«, beklagt wurde aber immer die fehlende »Wärme« und dass, wenn es »rumst und scheppert«, man auch nur noch das wahrnimmt. Krach, also.

Dann der »flirrende« Hochtonbereich, so »als ob im oberen Frequenzbereich etwas anfängt zu schwingen«. Hm…? Diesbezüglich gibt es da mehrere Möglichkeiten: Einmal die Vorstufe an sich bzw. die Röhrenbestückung. Gut möglich, dass die Vorstufenröhren ausgelutscht sind. Besonders die originale Shuguang-12AX7 (ECC83). Also wirklich… Es gibt deutlich bessere Standardware. Zum anderen kann es durchaus am Fostex-Hochtöner liegen. Die Dinger sind ja nicht so Ohne und wollen konsequent »erzogen« werden…

Ein ähnliches Klang-Erlebnis hatte ich auch vor kurzem bei meinem Setup feststellen dürfen. Grund war ein Lautsprecher, der »verpolt« angeschlossen war. Kann im Halbdunkel, wo sich »schwarz« und »rot« nicht gut unterscheiden lassen, ja mal passieren. Deshalb tendierte ich zu diesem Fehler.

Kurz und gut: Im Vergleich zu den bisherigen Klangbeschreibungen (Zitat: »kaltschnäuziges Großmaul«), passte das alles nicht so recht zusammen.

Es sollte noch etwas ganz anderes nicht zusamenpassen…

Visuale Curiosa

Dass es sich bei diesem 845-Röhrenverstärker um keinen »normalen« Simply handelte, wurde schnell klar. Bereits beim Abschrauben der Bodenplatten fiel auf, dass die Warnung vor einem Stromschlag zwar nicht fehlte, aber nicht so explizit hervorgehoben war, wie bei den vorherigen Modellen. Ein erster Blick in’s Innere… Nanu? Wo sind denn die roten Elkopötte, die einem sonst sofort in’s Auge springen? Ahja, dort… Nur »verkehrt herum« auf die Netzteilplatine gelötet.

Und… Was’n das da…? Da hat’s ja ordentlich gebrutzelt. Und was soll denn das da bitteschön darstellen…? Lötstellen? Ernsthaft? Mensch, das sind astreine Wackelkontakte. Ist doch kein Wunder, dass es da brutzelt(e).

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Dabei sah es um den »Brat-Herd« so aus, als ob da schon einmal »herumgemacht« worden war. Bei Minerva! Wer immer dafür verantwortlich war, sollte sich Zeit seines Lebens von einem Lötkolben fern halten. Okay, eine »nicht astreine« Lötstelle – das kommt immer wieder mal vor. Da kann sich keiner von freisprechen, der einen Lötkolben gerade halten kann. Eine, wohlgemerkt – aber doch nicht zwei in ein und dergleichen Schaltungsumgebung, noch dazu keine 5cm voneinander entfernt. Weiter geht’s…

Es fehlt die Empfangseinheit für das fernbedienbare Motorpoti. Wusste gar nicht, dass es den Simplay-845 auch ohne Fernbedienung gegeben hatte. Kurze Recherche: Ja, gab es wohl mal. Ganz zu Anfang… Also eher selten.

Die Art und Weise, wie Schaltungstechnisch der Heizkreis für die 845 gestaltet wurde, war ebenfalls »anders«. Nämlich (teilweise) besser. Statt einer länglichen Platine nunmehr zwei Einzelplatinen. Aber es wurden deutlich »stärkere« Gleichrichterbrücken (min. 10A) verwendet, die auf ein Stück blankes Aluminium verschraubt waren. Bisher fanden sich immer »schwächere« Gleichrichter (üblicherweise 4A) die direkt an’s Chassis befestigt wurden.

Aber… Da befanden sich eindeutig zuviele Bauteile auf diesen Platinen. Also, erst einmal entschlacken und Leiterbahn verstärken…

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Okay, soweit so gut. Bis eben auf die verkokelten Stellen… Und diese verdammte Schmiere, die bei den sommerlichen Temperaturen schon nicht mehr pastös war, sondern fast schon zähflüssig. Mit ein paar Wattestäbchen wurde erst einmal das Gröbste entfernt…

Netzteil

Dann wollen wir uns mal dem Netzteil widmen. Aber erst einmal die gespeicherte Restspannung entladen lassen. Kurz nachgemessen, wieviel Volt mir da an’s Leder wollten… Nanu? Nur knapp über 100V? Angeblich hatte der Simply bis kurz vor Anlieferung noch gelaufen. Gut, das war jetzt drei Tage her, trotzdem sollte da eigentlich deutlich mehr »Wums« sein… Sollte da etwa statt der »Spannungsteiler-Dioden« Widerstände, die dann eben auch als Entladewiderstand fungieren, verbaut sein?

Ich hatte mittlerweile ja einige Verstärker mit diesem Netzteil – da lagen auch noch nach über zwei Wochen mindestens 400V an…

Netzteilplatine demontiert und siehe da: Zwei von drei Lade-Elkos litten augenscheinlich unter Blähungen. Und damit wird der Innenwiderstand dieser Bauteile eben auch sehr niedrig, was natürlich zu dieser »Energie-Inkontinenz« führt.

Das Netzteil war vermutlich schon gut am pumpen, um die dahinterliegende Wahnsinnskapazität richtig aufzuladen (was dann wohl nie passiert ist). Von der abschliessenden Siebkapazität ganz zu schweigen. Das kann für das (bereits beschriebene) »audiophile« Erlebnis verantwortlich sein. Die Fehlerursache »verpolter Lautsprecher« habe ich dann schnell wieder verworfen.

Was nämlich eine SRPP ist, die kann man gehörig durcheinander bringen, wenn die Versorgungsspannung auch nur ein bisschen »wackelt«. Das gilt auch – oder ganz besonders – für »Look alike«-SRPPs, die auch noch mit einer grenzwertigen Versorgungsspannung (über 600V!) angetrieben werden.

Nur logisch, dass man von so einem Netzteil dann auch keine knackigen Bässe erwarten kann. So etwas knabbert ja ganz schön an der gespeicherten Energie der Elkos. Diese können dann auch nicht mehr richtig – vor allem auch schnell genug – nachgeladen werden. Das passiert übrigens auch, wenn man mit der Siebkapazität gnadenlos übertreibt. Die Folge: Statt eines stabilen Tiefton-Fundamentes, wabbelt der Bass lustlos umher.

Da kann auch die steifeste Lautsprechermembran nix mehr reissen. Es dröhnt. Im schlimmsten Fall (bei viel zuviel Siebkapazität) bzw. im Fall von »Alles zu spät«, brummt es… Dass es hier übrigens nicht zu einem Brumm gekommen ist, liegt einfach daran, dass es »nur« die Lade-Elkos erwischt hatte. Die eigentlichen Siebkapazitäten wirkten da wohl »kaschierend«…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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