Simply845 zum Zwoten

Er ist wieder da. Der Simply845. Fast auf den Tag genau, zwei Jahre später, ist er wieder da. Natürlich nicht »einfach so«… Diesmal hat’s den 845-Boliden richtig erwischt: Plötzlicher Totalausfall eines Kanals in Tateinheit mit leichter Pyrotechnik.

Auf den Bildern, die vorab per E-Mail gesendet wurden, war nicht eindeutig erkennbar, was Ursache gewesen sein könnte. Keine aufgeblähten oder gar geplatzte Kondensatoren, keine abgerauchten Widerstände – nichts.

fehlersuche

An einem Kabelbrand im Herzschrittmacher – sprich Netztrafo – will ich nicht glauben. Da scheint eher was mit dem Übertrager passiert zu sein. Bestärkt wurde diese Vermutung ein Tag später durch eine Anfrage eines Besitzers von Smart845-Monoblöcken, wo ähnliches passiert war… Darüber wird vielleicht noch zu berichten sein.

Der Simply845 Gau

Als mir der Simply einfach so auf den Tisch gestellt wurde, kam es zu einer genaueren Erläuterung welche vermuten liess: Entweder irgendwas an der Heizung oder Übertrager.

Es war die Heizungselektronik. Und tatsächlich fand sich bei genauerer Betrachtung der Platine eine abgebrannte Leiterbahn. Vielleicht zwei Millimeter lang. Mamma mia!

leiterbahn-abgeraucht

Hier sieht man nun deutlich, was lächerliche 10V, aber mit über 3A doch recht kräftig, anrichten können. Besonders, wenn das auch noch von einem potenten Netztrafo angeliefert wird. Das alles zeigt auch auf die Tücke bei Gleichrichternbrücken: Während Einzeldioden bei extremer Überlast zu 99,5% leise durchknallen (Sag zum Abschied leise Peng), sind diese Dinger zu einem Kurzschluss fähig.

Aber – »urplötzlich« passiert so etwas auch nicht – eher schleichend, bis es gar nicht mehr anders geht…

Simply845 Repair?

Nun haben die alten und zudem eh’ schon gebrauchten 845’er beim neuen Besitzer auch schon ein paar hundert Betriebsstunden auf den Buckel. Da sind neue Kolben fällig. Klar.

Die Reparatur scheint einfach: Neue Gleichrichter, diesmal eine Nummer »stärker«. Die XXXXL-Version, so wie ich es gerne eingesetzt hätte, war nicht so ohne weiteres einzubauen.

Man muss sich vor Augen halten, dass auch ein glühender Heizfaden (in diesem Fall Glühkathode) für den Gleichrichter eine sehr niederohmige Last darstellt. Dementsprechend hat der Gleichrichter – besonders im Simply845 – gut zu tun.

Kritisch ist generell der Einschaltmoment, wo weitaus höhere Ströme fliessen. Das muss der Gleichrichter abkönnen. Generell ist aber Verschraubung der Gleichrichter am Chassis – wegen Kühlung – Pflicht.

Als Kolletaralschaden sind zunächst die zwei (bzw. vier) Widerstände zu beklagen, die die »künstliche« Kathode herstellen. Der entsprechende Dickschicht-Planar Kathodenwiderstand war, wider Erwarten, »gesund«. Sein parallel geschalteter Drahtwiderstand ebenfalls.

Ursachenforschung

Auf der Suche nach dem Mörder bleiben als Hauptverdächtige nun nur noch der (bzw. die) Kathoden-Kondensator(en) der 845 übrig.

In der Tat. Sehen aus wie das blühende Leben, waren aber Zombies. Alle beide. Das Soll von 100µF wurde deutlich unterschritten. Ein »Innenwiderstand« praktisch nicht mehr vorhanden.

Das wollte ich zunächst nicht glauben. Vielleicht spinnen ja meine Messgeräte. Bei schwächelnder Batterie durchaus möglich… Nein, die funktionierten völlig normal.

Als letzten Beweis den Verstärker mal unter Dampf gesetzt. Ergebnis: Ein Ruhestrom von 130mA (Einhundertdreissig Rufzeichen) im »gesunden« Kanal bei gut 1000V an der Anode, der sich aber erst nach etwa vier Sekunden mehr oder weniger stabil einpendelte. Die Kondensatoren also…

Muss ja heiss hergegangen sein, wenn selbst Markenkondis mit einem erweiterten Temperaturbereich von 105°C dahinsiechen…

Dass es wirklich wohl »etwas zu warm« wurde, konnte man an einer Röhrenfassung erkennen: Ein feiner Spannungsriss bei einer Jumbo-Fassung nebst abgesplatztem Keramik-Bröckchen. Das hatte ich auch noch nicht.

Zwei »Übrigens«: Die Empfehlung, 845-B Röhren zu verwenden welche mindestens auf 100mA ausgemessen sind, hatte ich seinerzeit ja nicht umsonst gegeben. Ob eine Röhre nun 80°C heiss wird, oder 150°C – das ist mit menschlicher Sensorik kaum feststellbar. Heiss ist heiss – so nah kommt man dem Glas micht mehr, um das »gefühlsmäßig« herauszufinden.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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