Push Pull mit EL504 & Co

EL504

Keine dieser »Fernseher-Röhren« ist für NF-Technik gedacht gewesen, richtig. Dementsprechend mager erscheint das Datenblatt. Trotzdem sich die Angaben auf Impuls-Betrieb beziehen, lohnt sich das Studium – besonders hinsichtlich Grenzwerte und Schirmgitter!

Bei Recherche wird man ähnliche Projekte finden und feststellen, dass die Versorgungsspannung der EL504 immer höher ist, als die Datenblattangabe zur EL504 als Maximum »erlaubt«. Bis etwa Ub 300V ist das aber richtig! Das war damals schon ein »konservativer« Wert. Ja, die Röhre verträgt noch mehr, aber man sollte das wirklich nicht ausreizen. Zu beachten ist weiterhin, dass die Betriebsspannung unter Last merklich absackt!

Übrigens: Wer so eine Röhre dazu bringt, »rote Backen« zu bekommen, der hat es geschafft. Der Orden als »Röhrenkiller« ist ihm sicher. Das ist nämlich nicht so einfach: Selbst die zierliche EL504 verpackt locker 100mA Kathodenstrom! Je nach Betriebsbedingung sollte aber nur ein Anodenstrom (!) von etwa 30mA fliessen. Der statische Ruhestromabgleich (Anodenstrom + Schirmgitterstrom) sollte also bei etwa 35 – 40mA liegen.

el504gemessen

Die Eigenschaften der EL504 sind dabei ähnlich gelagert wie bei der EL509. Als wichtigste Punkte gelten: der niedrige Röhren-Innenwiderstand und die Fähigkeit, Ströme bis zum abwinken liefern zu können. Als »echte« Audio-Röhre schafft derartiges nur die EL503!

Wie auch die EL509 neigt die EL504 zu hochfrequenten Sauereien. Bevor man sich diesem Projekt widmet, sollte ein HF-Detektor (HF-Sniffer) bereitstehen. Das ist kein Ding und kann man kostengünstig in eine (geschirmte) Abzweigdose pflanzen.

Ziel

Als maximale Ausgangsleistung wird etwa 30W angepeilt. Ich denke, das reicht für dezente Hintergrundmusik.

Mit einem Frequenzgang von (studiotaugliche) 20Hz bis 20kHz (-3dB) will ich diesmal zufrieden sein. Nach unten hin, werde ich vielleicht, wegen des speziellen Übertrager-Eisenmaterials, noch mit gut Glück 16Hz erreichen, dann ist aber wirklich »Ende im Gelände«. Alles andere muss sich ergeben.

Beschaffung

Bei der Beschaffung von EL504- oder EL36-Röhren sollten man sich diese wirklich auf nahezu gleiche Werte (rund 100mA) ausmessen lassen (exakt gleiche Werte sind fast nicht möglich) und dabei auch im Hinterkopf behalten, dass sich mal eine Röhre – trotz Messschrieb – als taube Nuss erweisen kann. Oder aber sie lässt sich partout nicht auf einen bestimmten statischen Ruhestromwert bringen oder gar halten (Ruhestrom läuft weg).

Ganz wichtig: Derartige Röhren sind zunächst zu »gettern«, d.h. stundenlang nur mit der nötigen Heizspannung zu heizen. Das stabilisiert das Röhrensystem merklich.

Und dann sind da die Magnoval-Fassungen: Wer daran spart, wird bestraft. Am besten sind die alten Fassungen. Da »flutschen« derartige Röhren einfach hinein und sitzen fest. Bei neueren Fassungen muss man die Kontakte sehr oft mechanisch nacharbeiten.

Was übrigens auf dem 504-Röhrenglas steht, ist ziemlich schnuppe. Das dürfte heute alles RFT- oder gar alte Tesla-Ware sein. Und RFT bzw. Tesla sollen, »gerüchteweise«, ja gar nicht mal sooo schlecht sein… Und manchmal bekommt man ungelabelte Röhren, die verdächtig nach Valvo aussehen.

el504

Und noch ein »Übrigens«: Diese Röhren werden heiss! Die damalige Montageart (schräge Einbauart) hatte auch den Grund darin, den Hotspot auf das Glas zu verteilen (Abstrahlungsfläche vergrößern) und nicht am Anodenanschluss zu legen. Man kann die entstehende Wärme nur mit einer moderaten Betriebsweise begegnen! Deshalb verbietet sich auch der reine Class-A Betrieb.

Wer etwas intensiver recherchiert, dem mag folgende Gleichung in den Sinn kommen

EL503 = EL504?

Von früheren Basteleien weiss ich, dass ein 504-Gegentakter ordentlich rumsen kann. Im Netz finden sich dazu weitaus drastischere Aussagen… Also: So ein Verstärker kann ordentlich die Hütte rocken. Hört man im direkten Vergleich einen EL34- oder KT88-Verstärker, dann meint man zunächst einen Weichspüler zu hören. Das liegt wirklich an den Eigenschaften der EL504.

EL503

Die EL503 – als ausgewiesene Audio-Röhre – kommt diesen Eigenschaften sehr, sehr nahe. Wer einmal die EL503 gehört hat, weiss das. Die damaligen Lobeshymnen kamen ja auch nicht von ungefähr. Leider ist die EL503, so sie denn überhaupt noch als Neuware erhältlich ist, ein Spekulationsobjekt…

Man kann sich daran beteiligen – muss man aber nicht. Denn die EL503 verhält sich fast so wie die EL504 bzw. EL509. Bis auf die Konstruktion und einigen Daten (Spanngitterkonstruktion, sehr hohe Steilheit), sind die Unterschiede zur EL504 (EL509) wirklich nicht so gross.

Und das mag ein Grund sein, warum der Ra/a-Wert des Übertragers auffällig oft mit den Übertragerdaten eines (alten) EL503-Verstärkers übereinstimmt (rund 2,4kΩ). Es gibt sogar (glaubhafte und nachvollziehbare) Umbauten von EL503 auf EL504. Diese Umbauten beschreiben aber »lediglich« Instrumentenverstärker! Das muss auf dem Zettel haben.

Für HiFi mit EL504 ist ein höherer Ra/a-Wert aber sehr vorteilhaft, wenn man auf ein paar Watt verzichten kann. (Anmerkung: Wenn man bei der Dimensionierung von Netzteil und Übertrager geschickt vorgeht, können dann auch EL508-Röhren eingesetzt werden.)

Diese Ähnlichkeit der beiden Röhrensysteme machte man sich damals schon bei Klein & Hummel zunutze. Der VS70 (mit EL36 bzw. EL504) wurde, geringfügig modifiziert, auch als VS110 (mit EL503) auf den Markt gebracht. Geringfügig modifiziert heisst: Anstatt ECF80 in der Vorstufe wie beim VS70 / VS71, findet sich im VS110 eine ECC808 Doppeltriode. Wobei die Machart der Phasenumkehr identisch blieb.

Anmerkung: Weil der Transistor schon seinen Siegeszug angetreten hatte, investierte keiner mehr in HiFi-Röhrentechnik. Der VS110 kann – grob böse formuliert – als Restverwertung betrachtet werden.

Der eigentliche Unterschied: Die EL504 (EL36) benötigt einen etwas kräftigeren Tritt in’s Steuergitter. Mit einer Triode wird man da nicht glücklich. Alles andere ist beim VS110 identisch mit dem VS70/71-Modell – besonders hinsichtlich dem Eisenmaterial! Auch ein VS110 mag 16Ω- lieber als 8Ω-Lautsprecher…

Ach ja: Beim VS110 lohnt sich ein Blick auf die »symmetrisch wirkende« Gegenkopplung.

Beide Röhrensysteme darf man ruhig als Geschwister bezeichnen, wobei die EL503, trotz der hohen Steilheit, ein »sanfteres Gemüt« hat. Einige Bastler sind der Überzeugung, dass die EL503 »nur« eine verbesserte bzw. weiterentwickelte EL504 (EL509) sei. Diese Vermutung ist berechtigt, denn Philips (als Herstellerkonzern) war immer schon darauf bedacht, den Grundtyp einer Röhre weiter zu entwickeln und sie möglichst auch durch andere Typen ersetzbar zu gestalten. So kann zB. die EF39 unter fast genau den gleichen Bedingungen einer EF37 als NF-Röhre arbeiten – auch wenn im EF39-Datenblatt etwas von »variablen µ« steht… Oder die EF80, deren Großmutter die legendäre EF50. Die Geschichte der EF50: Teil 1 und Teil 2 (unbekannter Netzfund).

Pentodenmodus vs. Ultralinear

Die Ultralinearschaltung im V30-Modell funktioniert nur, wenn man eine gewisse Höhe »Spannungsabfall« der Versorgungsspannung einkalkuliert. Diese entsteht durch die Belastung des Netzteils. Am Schirmgitter der EL504 dürfen »nur« maximal 250V anliegen. Durch Belastung sackt die Versorgungsspannung auf etwa 220V ab. Die im Schaltplan eingetragenen Spannungswerte (siehe PDF) sind bei Nicht-Aussteuerung ermittelt!

Zu dieser Spannung kommt noch die »Modulationsspannung« am Schirmgitterabgriff der, je nach Aussteuerung, insgesamt den Wert von 250V übersteigen kann. Da die OX-Lautsprecher aber einen sehr hohen Wirkungsgrad aufweisen, dürften diese Verstärker kaum bis etwa 15W ausgesteuert worden sein. Da die Schirmgitterspannung insgesamt dann auch sehr niedrig ist bzw. bleibt, wird der kritische Grenzwert auch wohl kaum überschritten.

Ein weiterer Knackpunkt des V30: Es fehlen schützende Schirmgitterwiderstände, die bei EL504 mit mindestens 1kΩ zu bemessen sind!

Es ist also keine schlechte Idee, derartige Röhren im Pentodenmodus zu betreiben, also mit einer fixen Schirmgitterspannung. Dann werden derartige Röhren plötzlich viel »zahmer«. Schaut man sich den VS110-Schaltplan an, dann findet man die EL503 in Pentodenmodus beschaltet.

Der Pentodenmodus ist besser als sein Ruf. So manche Probleme, die man sich mit der Ultralinear-Schaltung einhandelt, gibt es im »richtigen« Pentodenbetrieb nicht.

(Anmerkung: Alle Spannungsangaben sind als kalkulatorische Werte zu betrachten. Richtig duchgemessen, was da im laufenden Betrieb passiert, hat das wohl keiner…)

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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