SE-845 Röhrenverstärker

Das Netzteil…

…entpuppte sich als die getrickste Trickschaltung, die ich auch schon zuvor erfolgreich eingesetzt hatte. Da fehlte also nichts. Selbst die Siebkette nach dem „Auskoppel-Widerstand“ war – Oh Wunder – völlig korrekt ausgeführt.

Ja, okay. Es finden sich in diesem SE-845 zwar immer noch X2-Kondensatoren (auch für Koppelkondensator verwendet), diese stammten aber diesmal nicht von der Restrampe. Und es waren vor allem keine „Snubber“ (Kombi von Widerstand und Kondensator zur Entstörung).

Als Betriebsspannung für die 845 wurden diesmal nur rund 850V (!) gemessen. Auf einem Kanal. Der andere lag mit etwa 30V darunter. Hätte mich stutzig machen sollen. Aber wie’s so geht… Die Betriebsspannung für die Treiberstufen lagen ungefähr bei der Hälfte. Im Leerlauf, wohlgemerkt. Teilweise mehr als 100V weniger als die vorherigen Varianten. Vorteil: Die verwendeten 450V-Elkos werden nicht bis zum Anschlag „gekitzelt“. Nachteil: Die 845 werden „niedertourig“ gefahren – also am unteren Rand ihrer Kennlinie.

Oh, oh. Ich höre sie jetzt schon, wie der Mob der „845-Spezialisten“ lauthals schimpfen wird: „Das ist doch keine Art und Weise, eine 845 zu betreiben! So etwas gehört verboten. Unerhört!“…

Dabei ist das – vor allem im asiatischen Raum – eine durchaus gängige Praxis: Weniger Leistung, mehr Klang. So die Philosophie. Ob’s stimmt, wird sich zeigen müssen. Das mit dem Klang, meine ich. Weniger Leistung ist aber wohl so sicher, wie die derzeit grassierende, hochinfektiöse Verblödung.

Die Knackpunkte

Einen Music Angel ohne irgendeinen Knackpunkt gibt’s nicht. Wieder einmal war’s die negative Vorspannung die diesmal so eine spezielle Geschichte war. Nach der Spannungsverdopplung (mit zu kleiner Siebkapazität) wurden lediglich gerade einmal -140V im Leerlauf gemessen. Das ist knapp. Sehr knapp. Zu knapp, um einen sauberen Regelbereich für die 845 zu gewährleisten. Auch hier soll die 845 ja richtig „schlafen“ zu legen sein.

Da müssen also noch ein paar Volt her. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Die einzige Lösung, um aus diesem Dilemma herauszukommen, heisst:

Spannungs-Vervierfacher

Die benötigte BIAS-Spannung muss vervierfacht werden. Hierzu wird dem vorhandene Spannungsverdoppler eine weitere Verdopplerschaltung nachgeschaltet. Das Prinzipschaltbild sieht dann wie folgt aus

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Jetzt noch – ganz wichtig – mit etwa 22µF bis max. 47µF gut sieben (mehr braucht’s nicht, da hier kaum Ströme fliessen), dann stehen da am Ende gut 240V im Leerlauf.

Die Betriebsspannung

… entwickelte sich zu einem weiteren Knackpunkt. Scheinbar, war aber nur „eigene Blödheit“. Der Verstärker war komplett umgebaut. Ein umfangreiches Testprogramm stand an. Unter Last brachen die Betriebsspannungen aussergewöhnlich stark ein. In einem Kanal sogar um rund 100V. Die betreffende 845 war da noch lange nicht im Arbeitspunkt. Nanu? Kurzschluss? Röhre im Ar…? Leckomio! Also Fehlersuche. Ergebnislos.

Leute, ich kann Euch sagen, da stehste dann da, mit deinem Talent und mit ’nem dicken Brett vor’m Kopp. Es brauchte tatsächlich einen „externen Schubser“, der mich wieder in die Spur brachte.

Long short Story: Normalerweise werden immer alle Bauteile der Netzteilplatine (bis auch die Timersektion) ausgetauscht. Diesmal hatte ich die Elkos für die eigentliche Spannungsverdopplung „vergessen“. Waren zwar gesund aussehende Marken-Elkos, aber wohl eher unteres Preissegment. Grosser Fehler. Mächtig grosser Fehler.

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Was bleibt anderes übrig, als die Platine ’rauszufummeln, um die „vergessenen“ Elkos zu ersetzen? Und richtig: Diese Elkos sahen zwar gesund aus, waren aber so gut wie tot, einer fast schon am verwesen. Akuter Kapazitätsverlust…

Tolle Wurst. Ergebnis der Aktion: Nunmehr knappe 900V (!) auf beiden Kanälen.

Gerade die Elkos für Spannungsverdoppler sollten von hochwertiger Qualität sein. Die Kapazität kann man dagegen auch etwas (Etwas!) herunterschrauben, wenn keine passenden Bauteile aufgetrieben werden können. Wichtig ist aber auf Low-ESR zu achten (also diese 105°C-Dinger) und davon mindestens die obere Preisklasse. Die 08/15 Standardware, noch dazu von der Resterampe, sind ungeeignet.

Alles andere wie gehabt: Vorne 6AC7, dann 6J5 und zum Schluss die 845.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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