SE-845 Röhrenverstärker

First try

Das Planspiel zur SE-845 Treiberstufe war dann auch relativ schnell in der Praxis umgesetzt. Die Beschaltung der 6AC7 ist an der 6SJ7 aus dem vorherigen Music Angel Umbau angelehnt. Anstatt einer »echten« 6AC7 habe ich es zunächst mit dem Äquavilent 6Ж4 ausprobiert. Erstaunlicherweise funktionierte das auf Anhieb schon mal recht gut.

Das Rechteck-Verhalten (1kHz) war allerdings noch »Ausbaufähig«. Es zeigte nämlich eine deutliche »Problematik« (Bevorzugung) des unteren Frequenzbereichs an (genauer: die Phase hinkt bei tieferen Frequenzen hinterher). Das liegt aber einfach daran, dass »zuviel Dampf« im Spiel ist, also eine zu hohe Spannung sowohl an der Anode als auch am Schirmgitter. Im Bild Rechteck. Oben 6AC7 unten 6SJ7

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Bevor jetzt hektische »Optimierungsversuche« vorgenommen werden: Ruhig bleiben und abwarten! So wie jetzt arbeitet die 6AC7 recht gemütlich mit rund 3,5mA Ruhestrom. Wird das Netzteil mit der 845 jedoch so richtig belastet, dann wird sich da noch einiges tun.

Achtung: Die 6AC7 ist nicht nur ein »steiler Zahn«, sondern auch noch relativ »sensibel«. Sie übersteuert recht schnell, was ja unbedingt vermieden werden soll. Genau deshalb war eine (moderate) Gegenkopplung einkalkuliert, die das relativieren soll. Über das Für und Wider Gegenkopplung will ich hier nicht eingehen. Da tobt derzeit (mal wieder) ein Glaubenskrieg.

Also lassen wir die Schalte mal so, wie sie jetzt ist. Kommen wir mal kurz zur …

BIAS-Spannung

Die Beschaltung der negativen Vorspannung, also. Ziel sollte sein, einen sauberen Regelbereich zu erhalten. Vor allem sollte erreicht werden, dass man die 845 komplett »schlafen legen« kann.

Mit der knappen -150V Vorspannung war aber nix zu wollen. Ruhestrom-Minimum war 40mA. Da muss mehr »Fleisch am Knochen«, um die 845 wirklich komplett schlafen zu legen. Und da drängt sich die ungenutzte 200V-Spannung auf. Dazu eine 08/15-Einweggleichrichtung – fertig ist die Laube. Erst mit -180V am Gitter bequemte sich die 845 dann schlafen zu legen. Na bitte. Gut, dass ich den 200V-Abgriff nicht »unbrauchbar« gemacht hatte.

Zieleinlauf?

Der Nachteil eines gemeinsamen Netzteils für Treiber- und Endröhre lässt sich in diesem SE-845 nun wunderschön praxisnah »miterleben«: Je höher der Ruhestrom für die 845 eingestellt wurde, desto stärker sackte die Spannung ab. Und damit auch die Versorgungspannung des Treiber. Bei einem Spannungsverdoppler geschieht das »ausgeprägter«, als bei »normalen« Netzteilen. Zwischen 75mA und 85mA läuft aber alles schön rund. Ich einige mich auf 80mA…

Damit kratzt man nicht an der maximalen Anodenverlustleistung der 845, sondern liegt mit rund 72% (von 100W) gut im Rennen. Von der 970V bzw. 960V-Leerlaufspannung bleiben so »noch« immerhin 900V übrig. Das ist für einen derartigen SE-845 »à point«.

Das Rechteck (am Lautsprecherausgang) präsentierte sich – ohne Gegenkopplung – nun in fast schon lehrbuchmässiger Schönheit. Nach Schulnote bewertet würde ich dem – trotz der gaaanz leichten Schwäche (!) im unteren Frequenzbereich (bei tieferen Frequenzen eine vorauseilende Phase) – immer noch eine »Eins« geben. Das Rechteck der Vor- bzw. Treiberstufe hingegen war über jeden Zweifel erhaben. Deshalb lasse ich das alles so und dokter da nicht mehr dran herum.

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Nun ziehen wir mal ein akustisches Pröbchenmit mit einer »mäßig« wirkenden Gegenkopplung (mit der übrigens dann ganz leichte Überschwinger auftraten). Das Ergebnis: Der Tiefton- war gegenüber dem Hochtonbereich überrepräsentiert (also eher dumpf). In der Mitte befand sich zudem ein kleines Loch, durch das die Noppenpelle zu fallen schien. Nix mit Glitzer oder Feenstaub.

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Derartige leichten Überschwinger müssen übrigens gar nicht schlecht sein. Bringen sie dem Klangbild erst doch die richtige »Würze«. Glitzerndes Feenstaub, wenn man so sagen will…

Die 6J5-Falle

Hm… Ein klangliches Loch in der Mitte? Ja, in diese Falle tappe ich auch mal ‘rein. Das Klangbild hatte nämlich Mr. Miller bzw. nach der ihm benannten Kapazität zu verantworten.

Eigentlich ist bei der 845 kein Gridstopper nötig, um eine Millerkapazität nicht wirksam werden zu lassen. Und genau deshalb wurde kein Gridstopper eingesetzt. Wird die 845 jedoch von so einem niederohmigen »Treiber« angesteuert, dann »millert« selbst eine 845. Und erst recht, wenn ein Gitter-Ableitwiderstand (Datenblatt-konform) von lediglich 100kΩ eingesetzt wird, weil die 845 ja in Class-A1 arbeitet.

Also Gridstopper nachrüsten. Mit einem Widerstandswert zwischen etwa 5kΩ und 10kΩ liegt man meist immer richtig. Mit der »Try-and-Error«-Methode findet man den »richtigen« Widerstandswert übrigens schneller als sich in einer Berechnungsorgie zu ergehen. Nebenbei: Ich kenne keinen, der das auch wirklich berechnet…

Und? Noppenpelle?

Also, dieser neue SE-845 kann laut. Etwa schnuckelige 13W werden (noch Sinus-sauber) mit der 6AC7 erreicht. Maximal möglich sind knapp 20W (bei 2V Input). Am 93dB-Lautsprecher also »Headroom« satt, weil man gar nicht bis 2W ausfährt. Mit einer 6SJ7 muss man diesbezüglich deutliche Abstriche machen, kann bei 100dB-Lautsprechern aber auch schon zuviel sein…

Auch als Fan von Mehrgitter-Röhren (Pentode) muss ich diesem SE-845 bescheinigen, dass er Musik machen kann. Man hört schon, dass da eine Triode arbeitet, gleichzeitig staunt man über eine gewisse »Rotzigkeit«, die einer 845 eigentlich fremd ist. Kein Schmeichler, der unbedingt gefallen will. Eher »klare, aber abgerundete Kante«. Zum Vergleich: Mein SE-509 kommt mit »klare, aber mit sehr scharfe Kante« daher. Vor allem hat der 509’er im Bereich des Oberbasses Reserve, um noch richtig Druck zu machen. Da lässt es dieser SE-845 doch etwas gemächlicher angehen lässt. Trotzdem…

Rundum gelungen. Und das mit einem einstufigen Treiber.

Der ultimative Test meiner »Regierung« heisst »Silent Lucidity« von Queenrych. Hat dieser SE-845 dann auch mit einer »Eins mit zwei Sternchen« bestanden: Noppenpelle plus Pippi inne Augen. Ziel erreicht.

Man kann will sich nicht satt hören. Und da es hier noch mehr musikalische Kost gibt, heisst das nun: »Es kann nur Einen geben.« Röhrenverstärker im Wohnzimmer, meine ich. Deshalb muss der SE-509 seinen Platz räumen. Zeitweise. Ach ja, apropos satt: Beim ersten Hören glatt die Spaghetti vergessen, die da auf dem Herd vor sich hin zerköchelten…

Update 11.12.2023

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen.Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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