A Kind of “magisches Auge”

Magisches Auge? Ganz gefährliches Pflaster. Die »normale« Röhrentechnik ist ja schon eine spleenige Gratwanderung. Kommen »magische Auge« dazu, wird man bestenfalls nur noch mitleidig belächelt. Das ist kein Spleen mehr, das ist »schrullig«. »Magische Augen«… Tüddelkram.

Ja, die Dinger waren schon damals in den Röhrenradios eher Schnickschnack. Ja, sie zeigten mehr oder weniger gut an, wie stark ein Sender empfangen wurde. Ernsthaft: Da hat doch kaum einer darauf geachtet. Wenn nämlich der Sender klar und deutlich ‘reinkam, war die Feldstärke doch sowas von schnurz.

Nein, zu mehr taugten die »magischen Augen« auch nicht. Anders die Röhren mit Balkenanzeige (schimpften sich dann »magische Bänder« oder Waagen). Die waren prädestiniert für eine Aussteuerungskontrolle bei Tonbandgeräten. Das war’s dann auch.

Überhaupt diese Bezeichnung »magisches Auge« (Wasauchimmer)… Der (korrekte) englische Begriff wäre übrigens »Tube Indicator«. Was ist schon am aufleuchtendem Fluoreszenz in der Elektronik »magisch«? Und warum der deutsche Begriff wieder in’s Englische mit »Magic Eye« rückübersetzt werden musste, bleibt ein Rätsel.

Heute verdingt sich das »magische Dingsbums« (Auge, Fächer, Band, Waage) mit nervösem herumgezappel als Möchtegern-VU-Meter. Eine nette Spielerei gab’s in den 1990’er Jahren: Da gab’s mal einen Röhrenverstärker, wo das »magische Auge« die noch verbleibenden Sekunden visualisierte, bis die Hochspannung zugeschaltet wurde.

Dass es auch anders geht, soll dieser Artikel zeigen. Besonders die »magischen Waagen« wurden seinerzeit ja auch in der Messtechnik eingesetzt. Und genau darum soll hier gehen: Messen – im weitestem Sinne. Wobei man aber die ganze Geschichte nicht überbewerten sollte. Wie der englische Begriff es schon sagt: »Magische Augen« sind nur Indikatoren, Schätzeisen. Messen – im eigentlichen Sinne – kann man damit nämlich nix.

Das »magische Auge« an sich spielt hier allerdings eher eine Nebenrolle. Die Hauptrolle – Achtung, Spoiler! – ist mit moderner Elektronik besetzt. Und genau darum soll es eigentlich gehen. Was dabei herauskommt ist… Nunja… Maximal eine nette Spielerei.

em83-bias-indikator

Magisches BIAS

Wenn’s bei Röhrenverstärkern um’s messen geht, da fällt einem doch sofort das BIAS (Ruhestrom) ein. Das »Sorgenkind« schlechthin. Bei der Justage wird daraus gar nicht mal so selten ein Hochamt veranstaltet. Andere gehen da äusserst pragmatisch an die Sache ‘ran und lassen bei 5mA oder gar 10mA Differenz vom Sollwert Fünfe gerade sein. Problematisch wird die Geschichte, wenn es nichts zum Einstellen gibt – das BIAS also sich selber überlassen bleibt.

Und weil es nichts zum Einstellen – geschweige denn zu messen – gibt, bleibt ein schleichender Röhren-Verschleiss unbemerkt. Hin und wieder mal zu prüfen (überprüfen zu lassen) unterbleibt natürlich auch. Dass das keine so gute Idee war, wird man spätestens dann bemerken, wenn’s qualmt oder sich die Röhre spektakulär verabschiedet.

Das BIAS visualisieren

Wie es mit dem BIAS aussieht – da ist die klassische Kontrollmethode das Zeigerinstrument. Aus Design-Gründen ist dafür aber sehr oft kein Platz. Eine kleine LED böte sich an. Die sollte aber erst dann aufleuchten, wenn das BIAS richtig aus der Reihe tanzt. Das läuft auf einen kleinen programmierbaren Mikrochip hinaus, da ja nicht nur »Zuviel«, sondern auch »Zuwenig« (plusminus Toleranz) ausgewertet werden soll.

Klingt einfach, ist aber immer noch zu kompliziert. Noch viel einfacher wurde es bei diesem Verstärker gelöst. Randaliert dort eine Röhre (und damit das BIAS) wird die Hochspannung abgeschaltet. Paff. Ganz einfach so.

Stattdessen findet man ausgewachsene Computer, die mit ihrer einfachen digitalen Logik (Null oder Eins) dem analogen Verhalten der Röhre (es gibt ein Leben zwischen Null und Eins) hoffnungslos überfordert gegenüberstehen. Die häufiger eingesetzte analoge (und mit ganz viel Zaubersprüchen angepriesene) Billig-Regelelektronik ist da übrigens auch nicht besser. Äh… Ich schweife ab.

Was nun aber so ein richtiger Röhrenjunkie ist, der muss den ganzen neumodische Elektronikkram ablehnen. Früher hätte man zur Kontrolle ja ein »magisches Auge« bzw. ein »magisches Band« oder Waage genommen. Richtig. Hätte man mit Sicherheit getan. Gäbe es da nicht einen dicken Haken…

Der Haken

Der Messabgriff ist natürlich die (künstliche) Kathode der jeweiligen Endröhre. Blöd ist, dass die zu messende Spannung positiv ist. Das ist deshalb blöd, weil ein »magisches Auge« oder »Wasauchimmer« nach einer negativen Mess- bzw. Gitterspannung »gelüstet«. Damit wäre das Thema dann auch wieder abgehakt. Und jetzt?

Pfiffig, wie man als Bastler nun mal ist, denkt man sofort an einen kleinen Wechselrichter. Also ein Gleich- / Wechselspannungs Wandler. Danach einfach »negativ gleichrichten«, fertig. Für den Wechselrichter würde hier eine Simpelschaltung mit zwei Transistoren reichen… Weil das »magische Wasauchimmer« ja leistungslos angesteuert wird, braucht so ein Wechselrichter (bzw. die Transistoren) nicht viel zu können.

Gaaanz früher – die alten Funkamateure bzw. Radiobastler werden das vielleicht noch von batteriebetriebenen Röhrengeräten kennen – nahm man hierfür einen Zerhacker. Das war – man will es nicht glauben – sogar eine »amtliche« Bezeichnung. Die Batteriespannung (Gleichspannung) wurde damit sprichwörtlich so mechanisch verhackstückelt, dass sich die Spannung transformieren liess (geht ja nur mit Wechselspannung).

In unserem Fall könnte man nun einen elektronischen Zerhacker nehmen, einen 1:5 oder 1:10 Übertrager dahinterklemmen, um die nötige Ansteuerspannung zu erhalten, dann nur noch »negativ gleichrichten« – fertig. Dürfte sogar funktionieren – elegant ist aber anders.

Genau dieses Prinzip gibt’s auch in modern. Bei Bedarf auch noch fix und fertig, in (fast) jeder Spannungshöhe gleichgerichtet. Das Netzteil eines jeden Computers oder Laptops ist beispielsweise so ein Ding. Bei niedrigeren Spannungen beschert uns die Segnungen der modernen Elektronik so etwas auf einen einzigen Chip. Nennt sich dann DC-DC Converter. Auf deutsch: Gleichspannungswandler. Was wir brauchen, ist jedoch ein Plus-zu-Minus Wandler.

Man steckt eine positive Spannung hinein und »hinten« kommt’s invertiert – abzüglich Verluste – wieder heraus. Jetzt gilt es, einen entsprechend Chip zu finden, der bereits bei etwa 1V funktioniert und die Wandlerspannung entsprechend invertiert. Bei Röhrenverstärker mit Ruhestromregelung fällt über den Kathodenwiderstand (meist 10Ω) ja nur eine geringe Spannung von unter 1V ab.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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