Ist das noch HiFi?

Erinnern Sie sich noch, als ich im Januar 2014 vollmundig eine Auszeit verkündet habe bzw. das Erlebte beschrieben habe? Also die Story mit Pättkestour, Panne, Unverhofft-kommt-oft…

In Kürze: Aufgrund des frühlinghaften Winters eine Radtour durch die niederrheinische bzw. münsterländiche Pampa gemacht, Platten gehabt, Retter gefunden, Zwangsverpflichtet zu einer Spontan-Röhrenverstärker-Session mit Bekannten des Retters beizuwohnen – und ordnungsgemäß versackt.

Schon in dem »damaligen« Erlebnisbericht merkte ich an, dass, obwohl alle Verstärker etwas brummten, die Leute ihren (kindlichen) Spass hatten. Und das nicht zu knapp.

we-fieldcoilspeakerDas bisschen Brumm (es war zwar hörbar aber wirklich nicht der Rede wert) störte überhaupt nicht. Und was den Verstärkern an Ästhetik fehlte (Was für ‘ne Ästhetik?) machte die Haptik wieder gut. Eine Lautsprecher-Verstärker-Kombi fiel mir dabei besonders auf: Da schickte ein 2A3-Verstärker seine angestrengten drei Watt zu sog. Lautsprechern mit Erregerspule (im Bild nackte Originale von WE, im Wirklichkeit war noch ‘ne »schäbige« Holzkiste drumherum). Damit das auch so mit langen »Lautsprecherkabeln« (in Wirklichkeit »umgefrickeltes« 5m-Verlängerungskabel) funktioniert, besaßen die Lautsprecher ihr eigenes Netzteil. Für die Stromversorgung von Verstärker (Stereokiste) und zwei Lautsprecher war deshalb einer »Dreier-Steckdose« Pflicht. Wie der Besitzer mir »beim Leben seiner Leber« versicherte (darauf noch schnell ein Herrengedeck: »Pinkus« und einen »Sasse«), war die Schaltung an sich sehr Retro. Nur Widerstände, Kondensatoren und Wickelpakete waren neueren Datums. Ok, abgrundtiefer Bass war nicht zu erwarten.

Ganz praktisch hatte die »Dreier-Steckdose« einen Netzschalter. Damit konnte »Mann« – auf einen Schlag – alle drei »Musik-Einheiten« einschalten. Das Prozedere: Um Ruhe bitten… Einschalten (Klack)… etwas warten… Brumm… noch etwas warten… Brumm wird leiser… und leiser… und… absolute Stille. Anerkennendes Gemurmel. Man musste fast in die Lautsprecher kriechen, um da noch den Brumm hören zu können. Passend zur »manischen Befriedigung« wurde Shades of – nein, nicht Grey – sondern Deep Purple (schwarze Rille von 1968) auf den »Rillenkratzer« gelegt (das Teil und der Phono-Pre hingegen war schlichtweg Stilbruch aus dem Jahre 2010) und mal eben so bei Hush die Hütte gerockt. Wer braucht denn da 50 Watt und mehr?

Ganz ehrlich? Das hat mich einerseits verblüfft – andererseits habe ich nichts anderes erwartet (mein 845’er Single-Ended brummt auch etwas, zudem habe ich, nachdem mir die »Schwerfälligkeit« auf den Sack ging, den auch kapazitätsmässig entrümpelt). Da verbreitet Asbach-Uralt-Technik eine Stimmung, ein Lebensgefühl, die echter, unbeschwerter, nicht sein kann. Man hatte in diesen Kreisen seinen Frieden mit HiFi und High-End gemacht und die Jagd nach »grösser«, »besser« oder »auflösender« aufgegeben und konzentriert sich nun auf Wichtigeres.

Das ist das, was ich als High-End (ganz früher war mal kurzzeitig der Begriff »Zen-HiFi« modern) bezeichne. Man ist mit sich selbst zufrieden und kann Musik einfach so geniessen. Egal wie die Verstärkerkiste aussieht, egal mit welchen Röhren, egal mit welchen Lautsprechern und egal mit welchen Lautsprecherkabeln (5m Verlängerungskabel mit 1,5mm² Aderquerschnitt, Schutzleiter einseitig an Masse gelegt…). Vergessen Sie die »Segnungen« der »HiFi-Zubehörindustrie«. Fangen Sie an, einfach Spass zu haben – das ist das, was ich damals mitgebracht und mittlerweile verinnerlicht habe.

Und wenn zum Spass ein WE-15’er Horn gehört und/oder ein selbstgebauter Kinoverstärker – dann haben Sie die höchste Stufe des HiFi, des High-End, erreicht. Aber bis dahin ist es ein beschwerlicher Weg… Und, ganz ehrlich jetzt? Dieser Spass ist billiger, als man denkt. Derjenige, der sich das allerdings selber zusammenbauen will, braucht nur noch eins: Zeit und jede Menge Spass an der Freund. Demjenigen gehen dann auch die »Segnungen« von Klangschatullen, Porzellan-Entkoppler, laufrichtungsoptimiertes Lautsprecherkabel und natürlich das periodisch auftretende »Non plus ultra« irgendeiner Röhrenfabrik am Allerwertesten vorbei.

Das man sich Kinolautsprecher auch Tine Wittler konform zuhause hinstellen kann, zeigt das folgende Bild. Passende Wohnzimmergrösse natürlich vorausgesetzt.

kinolautsprecher

Jaja, die Röhrenfreaks sind schon ein komisches Völkchen…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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