805 Röhrenverstärker

805 Shishido-Style

Zum Vorbild vieler 805-Schaltungsvariationen darf man die Shishido-Schaltung zählen. Die Schaltung sieht zunächst nach KISS aus. Kein Schnick-Schnack, (fast) ganz normale Röhrentechnik. Vorne eine Triode, dann eine triodisierte Pentode / Tetrode. Das sorgt schon mal für ein (fast) ausgewogenes Mischungsverhältnis von gradzahligen / ungradzahligen Oberwellen (Klirrspektrum).

Japanische Röhrentechnik ist aber so eine Sache. Wie so vieles, was einen japanischen bzw. asiatischen Ursprung hat, sollte man sich zuerst mit der Philosophie dahinter beschäftigen. Schauen wir uns diese Schaltung deshalb einmal genauer an.

shishido-805

Koppelkondensatoren

Fällt sofort auf. Gibt’s nämlich nicht. Das ist ein Merkmal eines Verstärkers von Shishido-San (»inspirierte« auch Wavac Audio Lab, 1998 gestorben). Lange bevor es bei den westlichen Langnasen populär wurde, vermied Shishido Koppelkondensatoren (wobei er auch mal inkonsequent war).

Das hat(te) weniger »klangliche« Gründe, sondern vielmehr aufgrund der negativen Eigenschaften eines jeden Kondensators: Irgendwann pfuscht er an den Phasen herum und verschiebt sie um ein paar Grad. An sich kann man damit Leben (lernen) und Fünfe gerade sein lassen.

Weil keine Kondensatoren im Weg liegen, rauscht das Signal (fast) ohne Verzögerung durch und gelangt so nahezu zeitgleich sowohl am Lautsprecher als auch wieder am Eingang (Gegenkopplung). Es ist übrigens nicht anzuraten, einen 805-Verstärker ohne Gegenkopplung zu betreiben. Denn eine Gegenkopplung stabilisiert ja nicht nur, auch der Dämpfungsfaktor des Verstärkers erhöht sich und das ist wiederum wichtig für den Lautsprecher.

Überhaupt Kondensatoren: Shishido-San entwarf die Netzteile nach immer dem gleichen Muster. Eine Siebkapazität von deutlich mehr als 100µF gibt es eigentlich nicht. Besonders in diesem Fall sind 100µF schon sehr gut dabei.

Zwischenübertrager

Einen »echten Shishido« gibt es nicht ohne Zwischenübertrager (Interstage Transformer). Nur damit war es möglich, den »Spleen« von »naturbelassene Phase« zur Vollendung zu treiben: Durch geschickte »Verpolung« stand am Ausgang dann exakt die gleiche Phasenlage, wie sie auch eingespeist wurde. Das Ganze verpackte Shishido dann hinter dem Begriff »IITC« (Inverting Interstage Transformator Coupled).

Dieses Bauteil ist das alles Entscheidende. Da darf man nicht knauserig sein. Leistungsmäßig muss er kaum etwas können. Der Zwischenübertrager entkoppelt die Vorstufe von der Endröhre. Das transformierte Signal ist eine reine niederohmige Signal-Wechselspannung, die direkt an’s Gitter der 805 angeflanscht wird. Die Leistung, mit der das Gitter gefüttert wird, dürfte etwa 3W betragen.

Ein guter Zwischenübertrager sollte deutlich unter 20Hz bis vielleicht 50, 60kHz umsetzen können. Und es gilt zu berücksichtigen, dass er – das darf man gar nicht so laut sagen – ungradzahlige Oberwellen hinzufügt.

805-interstage

Das »Geheimnis« des von Shishido hier verwendeten Tango-Übertragers ist, dass er leicht heruntertransformiert, also nicht 1:1 übersetzt. Der Frequenzgang geht von 10Hz bis 80kHz (-2dB). Man kann davon ausgehen, dass so etwas nicht ganz billig gewesen sein dürfte.

Sekundärseitig bekommt es der Übertrager dann mit einer Eigenart der 805 zu tun: Das Steuergitter. Hat das Gitter den üblichen (A, A1) negativen Spannungsbezug, ist es sehr hochohmig (Impedanz). Damit lässt sich schwer arbeiten. Bei einem positiven Bezug ist es dagegen sehr niederohmig. Man wird deshalb keinen A(1)-Verstärker mit 805 finden.

»geteilte Lasten«

Der letzte Punkt hat allerdings mit »normaler« Röhrentechnik nichts mehr zu tun. Shishido war wohl auch ein Fan von Quad oder McIntosh. Und die hatten es ja mit dem Schaltungsprinzip der »geteilten Lasten«. Typisch japanisch nahm er sich das Beste aus der westlichen Audio-Welt und machte es sich zu Eigen.

805-geteilte-lasten

Anstatt Kathodenwiderstand an der 805 wird die (künstliche) Kathode an ein spezielle Übertragerwicklung gehängt. Das bewirkt eine höhere Leistungsausbeute und durch die induktive Gegenkopplung (neben der Über-alles-Gegenkopplung) eine weitere Stabilisierung.

Die Zündvorrichtung

Anstatt sekundärseitig einen Massebezug, findet man bei 805-Verstärker einen positiven Spannungsbezug am Zwischenübertrager. Bei der 805 darf / soll ja Gitterstrom fliessen. Der zu messende Ruhestrom ist – das ist zu berücksichtigen – die Summe von Anoden- und Gitterstrom. Letzterer liegt hier vielleicht um die 30mA (!).

Die positive Spannung (meist etwa 20V bis 28V) wird hierbei von einem Spannungsregler aufbereitet. Dieser muss regelbar und vor allem nicht selbst erregbar sein (hochfrequentes Schwingen). Die Ruhestromeinstellung: Zunächst die geringst mögliche (positive) Spannung und dann langsam auf Soll erhöhen.

Das Signal wird nun auf diese positive Spannung aufmoduliert. Das Steuergitter ist somit immer positiv und erst damit entsteht bei der 805 der richtige Drehmoment (das Steuergitter wird sofort zur Hilfsanode). Dafür ist die 805 »gemacht«. Versuchen Sie’s erst gar nicht bei »normalen« Röhren – auch nicht bei der 211. Das wird teures Lehrgeld.

805-Röhren

Davon gibt’s zwei Versionen. Einmal mit oben liegendem Anodenbolzen. Und einmal »mit ohne«. Letztere sollte, meiner Meinung nach, für 805-Verstärker bevorzugt werden. Korrekterweise nennt sich diese Variante 805A. Die Shuguang 805A soll auch eine bessere Kennlinien-Charakteristik aufweisen, als die NOS-Röhren.

805-nos

Abgesehen von den alten Gläsern ist die Neuware deutlich günstiger als eine 211 oder 845. Und es bleibt günstig, wenn man auf jede Art von Zierleisten verzichtet. Lebensdauer? Nun, ich habe hier zwei 805 die trotz des 10-jährigen Alters noch sehr gut dabei sind…

Konstruktionstechnisch bedingt ist die 805A nicht mit der maximalen Anodenspannung zu verwenden. Da nämlich, wo eine 845 aufhört, legt die 805 (ohne A) noch ein Schüppchen drauf: Maximal 1500V, maximal 125W Anodenverlustleistung.

Ich muss zugeben, dass mir rund 1000V an freiliegender Anodenkappe auch nicht geheuer ist. Knapp 300V bei einer EL509/519 ist eine Sache. Aber alles, was darüber weit hinausgeht – Nö. Da bekomme ich auch ein flaues Gefühl…

Auch wenn ich kein Freund von Schutzkäfigen bin… Bei 1000V werde ich zum Befürworter. So etwas gehört dann auch idiotensicher montiert. Am besten mit einer Schutzschaltung. Kein Käfig – keine Funktion. Man weiss ja, wie sehr einem eine vermeintlich schief sitzende Anodenkappe plötzlich stören kann…


Das zur allgemeinen Vorbetrachtung. Das mit den Transmitter-Monos von ehemals ES-Audio, die hier zur Revision und dann zum Verkauf stehen, dauert noch ein bisschen. Interessenten dürfen sich aber jetzt schon melden…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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