805 Röhrenverstärker

Die 805 Sendetrioden kommen in Gestalt zweier – gut 15 Jahre alte – Transmitter-Röhrenverstärker (Monoblöcke) daher. Anders als der Name vermuten lässt, hat das alles nichts mit Hochfrequenz zu tun. Bis auf die 805 natürlich. Das war’s dann auch mit HF. Die 805… Also, das ist ein ganz anderes Kaliber als Verstärker mit 211 oder 845. Man sollte sich vom Äusseren nicht täuschen lassen.

Bevor es ganz speziell um die Transmitter geht, herrscht bei 805-Röhren ein wenig Aufklärungsbedarf. Ich versuche es auch für Laien verständlich zu halten. Also, auch wenn das Glas einer 211 oder 845 zum Verwechseln ähnlich sieht – mit einer 805 betritt man eine ganz andere Welt. Die »Anti-HighEnd« Welt, sozusagen…

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Rund um die 805

Der Verstärkungsfaktor (µ). Die Angaben hierzu sind unterschiedlich. In den alte Datenblätter wird unüblicherweise eine Circa-Angabe von 50 genannt. Andere Quellem nennen eine gemittelte Zahl von 40. Die 211 – zum Vergleich – liegt bei nur 12, eine 845 liegt bei rund 5. Wer mit Röhren baut, weiss jetzt schon: Das Ding ist hochsensibel. Alles, was bei der 805 das unerwünschte Eigenleben wecken kann, ist zu unterlassen. Heisst konkret: Impedanzarme (niederohmige) Schaltungsauslegung. Induktionsarme Bauteile sowie kurze Strippen sind das A und O.

Jede davor geschaltete Verstärkerstufe hat stabil zu arbeiten, wobei auf unnötige Verstärkerstufen zu verzichten ist. Denn mit jeder Stufe wächst die Gefahr einer Instabilität. Funktionalität geht vor Schickimicki (optisch wie technisch).

Aufgrund ihrer Konstruktion (vor allem Steuergitter) ist die 805 nicht mit 08/15 anzusteuern. Will man es »schlicht und einfach« halten, ist avantgardistisches Class-A2 plus Zwischenübertrager unabdingbar. Das Ganze hat dann auch Auswirkung auf den Lautsprecher…

Zur Erinnerung: Class-A2 heisst »positives Gitter« und damit auch fliessender Gitterstrom. Eine, für Otto-Normal-Glaskolben, verbotene Zone. In vielen Datenblättern wird daher, zur deutlichen Unterscheidung, von Class-B gesprochen – bezogen allerdings auf den speziellen Modus im HF-Sendebetrieb.

Die Leistung von 40W und mehr (in Eintakt) verführt dazu, x-beliebige Lautsprecher anzuschliessen. Gut, es macht dann zwar Krach, richtig rund läuft es aber nicht. Urei-Lautsprecher wären, beispielsweise, wohl sehr gut geeignet. Überhaupt diese Leistungsangabe… Die bezieht sich oft auf einen 16Ω-Abgriff des Übertragers und den passenden 16Ω-Schallwandler.

Mit den üblichen 8Ω-Lautsprecher »verschenkt« man (Leistungs-) Potential. Auch dürfen die Lautsprecher keinen hohen Dämpfungsfaktor vom Verstärker erwarten. Hart aufgehängte Membrane sind generell schon mal gut. Das ist wohl auch ein Grund mit, warum bei (deutschen) »Testberichten« zu 805-Verstärker oft ein kleiner, seltsamer Nachgeschmack zurückbleibt.

Avantgardistisches A2?

Über die Gründe, warum derartige Verstärker eher etwas für »kernige« Musik-Liebhaber sind, kann man nur spekulieren. Hauptsächlich dürfte da wohl der »Klang« eine Rolle spielen. Denn da ist nix mit »typischen« Röhrenklang. Was immer das auch ist… Nix mit Weichspüler. Nix mit »Schmelz«. Es sei denn, das Musikstück trieft nur so von halbflüssigem Fett.

Was Röhren-HiFi betrifft, darf man den »Anti-Röhrensound« mittlerweile durchaus als Avantgarde bezeichnen. Ohne jedes Gespür für Diplomatie geht’s zur Sache. Da haben meine Verstärker (»PasAk«-PhonoPre, EL509) genau das gleiche Problem. Röhrenverstärker »mit ohne« viel Röhrenklang, die schnell und mühelos sich von Bassimpuls zu Bassimpuls hangeln und dabei auch noch filegrane Mitten und Höhen herausschälen… Nein, da kommt nicht jeder klar mit.

Ein Vergleich:

Mit einem 805-Verstärker bekommt man einen Mix aus Muscle-Car und Hot Rod (zB den Eliminator – Achtung: Ein Youtube-Link), ein »Hot-Muscle«, quasi. Da geht’s (heute) eher in dritter Linie um Geschwindigkeit (Watt). Eher darum, wie der Motor dahin kommt. Und dann kommt das Fahrgefühl. Mit PS alleine hat das nicht viel zu tun. Viel wichtiger ist der Hubraum und der sich dadurch ergebende Drehmoment.

Egal in welchem Drehzahlbereich oder Gang man ist: Man(n) tritt das Gaspedal durch und es drückt einem in die Sitze. Dass das Triebwerk Power hat, das spürt man selbst als Beifahrer. Auch beim gemütlichen »Cruisen«. »Hot-Muscles« sind auch nicht jedermanns Sache. Klar, mit so einem Gefährt holt man keine Brötchen. Es sei denn, der Bäcker ist mindestens 50Km entfernt…

Ich denke, mit dieser Beschreibung bekommt man eine gute Vorstellung, wie es ist, einen 805-Röhrenverstärker zu »fahren«. Anders, als so manche Gerüchte behaupten, mit eben doch geringen Nebenwirkungen – sprich Klirr. Class-A(1) hat davon deutlich mehr zu bieten.

Ich kann das deshalb so beschreiben, weil ich vor Jahren den 805’er von Audreal gehört habe. Beein-druck-end. Nur leider wollte sich die Noppenpelle nicht einstellen. Heute weiss ich den Grund: Lautsprecher…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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