Schirmgitter-Ansteuerung

Secret of ETM

Und wie kommt Paravicini nun darauf, diese Beschaltung als »Enhanced Triode Mode« zu bezeichnen?

Ersteinmal wird das Steuergitter (g1) der Endröhre zunächst für »nicht existent« erklärt. Das Steuergitter liegt – aus Sicht der Gleichspannung – auf Kathodenpotential bzw. auf Schaltungsmasse (richtigerweise ja 0V). Egal, ob da noch ein Widerstand im Weg liegt, oder nicht.

Denkt man sich jetzt noch das Bremsgitter (g3) weg (liegt ja ebenfalls auf 0V), dann hat man tatsächlich eine Röhre mit nur drei Elektroden.

Nämlich Anode, Schirmgitter und Kathode. Im Endeffekt also so etwas wie eine Triode. Nur eben eine Triode, die »anders« funktioniert. Eher so in Richtung Class-A2 Triode!

Mit einer derartigen Beschaltung wird das Schirmgitter, neben der »Hilfs-Anodenfunktion«, auch noch zum Steuergitter. Vergleichbar mit dem Gaspedal in einem Automobil. Neben einer bestimmten Höhe »Grundspannung« (Standgas) kommt noch das aufmodulierte Signal (Bleifuss).

Das Schirmgitter wird also mit einer bestimmten Spannung, die von der Treiberröhre (eine halbe ECC88) kommt, vorgespannt. Durch das Musiksignal wird diese Spannung dann entsprechend auf-moduliert.

Die im EAR-859 verwendeten 500V Anodenspannung ermöglichen eine entsprechend »geringe« Ansteuerleistung am Schirmgitter.

Die (eigentliche) Idee

Nur mit dem »Wegfall« des Steuergitters arbeitet diese Pentode dann wie gewollt, äusserst linear. Kaum Oberwellen, Klirr, Verzerrungen… Eigenschaften, die in der Funktechnik ja erwünscht sind. Man will ja zB. nur auf 30,5MHz senden und nicht auch noch – bedingt durch die Oberwellen – auf 40MHz.

Eigentlich sollte dadurch kaum ein nennenswerter Ruhestrom fliessen (Zero-BIAS, Null-Volt-Technik). So beschaltet, muss aber das Schirmgitter mit einer gewissen Spannung »grundversorgt« werden. Damit zieht die Röhre also von Start weg einen bestimmten Stromanteil, der sich bei Ansteuerung erhöht.

Die Art aber, wie Paravicini das Steuergitter »sonst noch so« beschaltet hat, ist gnadenlos pfiffig. Auch wenn die (eigentlich gewünschten) positiven Eigenschaften etwas »flöten« gehen.

Es wird etwas »Röhriger«

Der positive Spannungsbezug am Schirmgitter ist für das Steuergitter (negativer Bezug) ein sofort tödliches Gift. Vor allem ist die Spannung viel zu hoch!

Mit einer Drossel hätte man das Problem schnell erledigen können. Das wäre erstens teuerer geworden (da ist es wieder) und zweitens hätte Paravicini eher nicht die 10W-Marke geknackt – zumindest nicht mit den 500V.

Legt man das Steuergitter hingegen auf die Kathode, erhält das Steuergitter zunächst den nötigen negativen Spannungsbezug (Schaltungsmasse). »Unschädlich« ist es dabei aber nicht geworden!

ear859-zweigitter

Und nun der Trick:

Natürlich entsteht an der Kathode der Endröhre – je nach Aussteuerung – auch eine Spannungsänderung (modulierte Gleichspannung, Signal-Wechselspannung), die wieder zum Steuergitter zurückgeführt wird.

Quasi von hinten herum durch die Brust in’s Auge, kommt die »Zweigitter-Röhrentechnik« aus dem Jahre 1932 wieder zum Vorschein. Auch in seinen Gegentakt-Verstärkern übrigens, die allerdings nur mit etwa 30W pro Kanal daherkommen und damit weit unter den Möglichkeiten zweier EL519 (min. 100W) bleiben.

Ein Detail, was man nur zu gerne übersieht, obwohl Paravicini selber darauf hingewiesen hat. Wenn auch wirklich nur »dezent«.

Funktioniert übrigens prinzipiell mit jeder Pentode. Ob’s Sinn macht, steht auf einem anderen Blatt…

Nur nebenbei: Die erste Verstärkerstufe sieht zwar so aus, wie eine SRPP – ist es aber nicht. Diese Schalte ist aus der »Fernsehtechnik« entliehen…

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

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