Ursachenforschung
Soviel ist klar: Eine Überlastung der Schirmgitter. Das passiert jedoch nicht einfach so… Bei einem amerikanischer Vertreter dieses Verstärkers findet sich exakt das gleiche Schadensbild. Hier wie dort waren normale EL84 verbaut.
Die »normalen« EL84-Röhren waren der Grundstein. Den Rest besorgten…
1. Die BIAS-Spannung
Da ist erst einmal die negative Vorspannung. Normalerweise wird die Wechselspannung gleichgerichtet, gesiebt und evtl. mit ein paar Widerständen auf Sollgrösse gebracht. Das reicht. Hat seit Urzeiten gereicht. Hier kommt jedoch ein elektronischer Spannungsregler (7915) zum Einsatz. Die 79 ist der Code für einen »Negativregler« (78 für positiv), die 15 ist die Spannung, die da hinterher herauskommt.
Bedingt durch die »Regeleinheit« lag am Gitter nur höchstens -12V an. Büschen knapp. Vom Trafo angeliefert wird eine Wechselspannung von 25V. Nach Gleichrichtung wird der Negativregler dann mit gut 35V gefüttert. Klar, etwas mehr als die gewünschte Ausgangsspannung muss man schon ‘reinstecken, aber soviel tut auch nicht Not. Der Regler ist also hauptsächlich mit Spannungsvernichtung beschäftigt…
Diese Spannungsregler (besonders die 78’er und vor allem die 79’er Baureihe) neigen dazu, im unteren dreistelligen Kilohertzbereich Unfug zu treiben.
Damit genau das nicht passiert, geben die Hersteller der Regler ein Datenblatt mit Schaltungsbeispiele heraus. Daran sollte man sich tunlichst halten. Warum das hier, nach allen Regeln der Kunst, ignoriert wurde, weiss ich nicht. Auch wenn’s unpassend erscheint: Ungezügeltes HF ist wie wildes Wasser – das kommt überall hin…
Der Regler ist zudem hoffnungslos überdimensioniert. Er kann bis max. 1A (1000mA) verkraften. Was hier jedoch an Strömen fliesst, dürfte hochgeschätzt vielleicht 10mA betragen. Was macht so ein unterforderter Regler nun? Genau, noch mehr Blödsinn. Da hilft es auch nicht, den Regler mit einem 10kΩ-Widerstand zu belasten…
Das Tückische bei solchen Reglern ist, dass dieses Verhalten nicht 100%-tig verifizierbar ist. Ein anderer Regler des gleichen Typs kann trügerische Ruhe vorgaukeln… Trotzdem: Das letzte Wort behält das Datenblatt des jeweiligen Bauteils. Immer!
2. Die Betriebsbedingungen
Die Versorgungsspannung (kalt) beträgt in diesem EL84-Verstärker rund 390V. Die Spannung sackt unter Last um rund 40V ab. Was sagt das EL84-Datenblatt zu der Restspannung? Too much! Okay, manche EL84 stecken das eine zeitlang weg, andere machen schon nach Stunden die Grätsche.
Von der EL84 gibt es aber auch »starke Versionen«, die mit diesen Bedingungen zurechtkommen. Eine davon ist die 7189. Die passt hier jedoch wegen anderer Sockelbeschaltung (Datenblatt) nicht hinein. Eine andere Version ist die russische 6P14P-EV.
Es ist auf das Suffix »EV« (bzw. russ. »EB«) zu achten. Ohne dieses Suffix ist die 6P14 fast eine »normale« EL84. Robuster zwar, aber auch die hat Grenzen… Vielleicht gibt’s noch andere Varianten, die mit diesen Bedingungen zurecht kommen. In diesem EL84’er macht sich eine 6P14P-EV (EB) also besser. Wird auch im Schaltplan angegeben (ohne Suffix).
Alle »starken« EL84 benötigen aber auch einen erweiterten Regelbereich für die BIAS-Spannung. Die angelieferten 25V sind in jedem Fall ideal. Also Umbau. So wie es die Altvorderen vorgemacht haben. Funktioniert, »man soll es nicht glauben», ohne Probleme und ganz ohne Nebenwirkungen.
3. Gut gemeint, aber falsch
Dem Widerstand für die Schirmgitterspannung war ein Kondensator nachgeschaltet. Wenn sich an jeder EL84 ein Schirmgitterwiderstand befunden hätte, wär’s in Ordnung gewesen. Da aber keine Widerstände verbaut wurden und es sich nicht nachrüsten liess, war / ist dieser Kondensator an dieser Stelle deplatziert. Aber sowas von…
Das »Tuning«
Das »Tuning« beschränkte sich auf das Herrichten der Beschaltung, so wie es wohl mal angedacht war. Speziell rund um die ECC83.
Anhand der Widerstands-Farbringe (5 waren es diesmal) war deren Widerstandswert nicht so einfach zu entschlüsseln. Auch anhand der Farben selber. Das, was man für »Schwarz« hielt, war in Wirklichkeit »Rot« und »Gold« entpuppte sich als »Braun«. Ist manchmal ganz gut, wenn man sich den Schaltplan »erarbeiten« muss. So kommt man auch anderen »komischen« Dingen auf die Spur…
Der Schaltplan… Tja… Äh… Nun, ich denke, jeder Bastler hat das Recht eigene Fehler zu machen und sie nicht blind nachzuäffen…
Ergebnis
Verstärker eingeschaltet und den Endröhren Zeit gegeben, um auf Touren zu kommen (Wichtig). Mir ist nach Chris Rea… Es brauchte dann nur drei Sekunden… Wuuusch – da sass ich wieder in meinem Kämmerlein und bestaunte erschrocken die Sprengwirkung des Kondensators (war das erste Mal). Dünne Rauschschwaden von im Lötzinn enthaltenes Kolophonium waberten in der Luft und das Saba-Röhrenradio (mit EL84-Gegentaktendstufe) gab sein Bestes…
Jepp! Da isser – dieser wirklich ureigene EL84-Sound. Voll, satt und mit Biss. Ganz ohne irgendwelche Kunstgriffe – einfach so. Diesen Sound – ein-, zweimal gehört – den kriegste nicht mehr aus dem Kopf.
Die eigentliche Mission »Kopfhörerbuchse« lässt sich so beschreiben: »Mal eben« ein 11’er und ein 6’er Loch bohren, Kopfhörerbuchse und Schalter montieren, verkabeln – fertig. Der individuellen Büroschlafabwehr steht nichts mehr im Weg…