Audreal V30

3. Akustische Verprobung
Also, das Klangbild war, für meinen Geschmack, doch etwas zu »schüchtern« und zudem »dunkel« eingefärbt. Von einer Beam Power Tetrode erwarte ich doch etwas mehr »Schmackes«. Auch im oberen Frequenzbereich. Klanglich – ich bin ehrlich – rissen mich die KT88 oder eben das Gesamtpaket V30 – nicht vom Stuhl. Das meinte dann auch der Kunde, als er meinen EL509 Eintakter (siehe Röhrenbuch 2 auf der Website HiFi-Tunes ) zum Vergleich anhörte (das ist ja sowieso schon eine gefährliche Geschichte… Eintakt vs. Gegentakt…). Im Gegensatz zum dem KT88-Gegentakter verhielt sich die EL509-Single Ended an den Nubert 681-Lautsprechern fast schon wie ein wildgewordener Mustang.

V30-Customize

Ersetzt man die 12AX7-B (6N2) durch eine richtige ECC83 (12AX7) dann zeigen sich erste positive Änderungen im Klangbild – aber so richtig tuts das auch nicht. Das durchprobieren verschiedener ECC83 kann man sich daher getrost sparen.

Für die klangliche »Schüchternheit« war hier die Gegenkopplungs-Trimmereinstellung verantwortlich: Die Gegenkopplung war viel zu straff und verhinderte damit, dass überhaupt Tetrodensound entsteht. Wenn man jetzt einfach hingeht und den 10-Gang Trimmer (die, die sich einen Wolf drehen) in die falsche Richtung dreht, läuft man Gefahr, den Audreal V30 komplett »dicht zu machen«.

Ein zusätzlicher, seriell geschalteter, Widerstand verhindert das und dann kann man auch wirklich »gefahrlos« mit dem Gegenkopplungs-Trimmer »spielen« und den Verstärker individuell abstimmen.

Absoluter »Tinnef« war aber der kleiner Keramikkondensator, der von der Anode (!) der 12AX7 gegen Masse geschaltet war. Ein klassischer Fertigungsfehler! Das lasse ich bei Freiverdrahtung durchgehen – wer selber Röhrenverstärker in Freiverdrahtung aufbaut, weiss, wie leicht so etwas passieren kann.

Da der Wert des Keramikkondensators recht klein ist, fällt das zunächst einmal nicht so auf – ausser am Klangbild! So etwas ähnliches habe ich auch schon mal erfolgreich zusammengebaut – damals (Schaltungstrick Nummero Zwo) hatte ich jedoch einen viel grösseren Wert genommen und wunderte mich auch zunächst über das dumpfe Geräusch des Verstärkers.

Kurz und gut: Dieser Kondi gehörte eigentlich in die Gegenkopplung (also zwei Lötstellen weiter weg). Dafür spricht auch, dass Xindak (Hersteller) bei der Schaltungsbeschreibung von »Duplex negative feedback« spricht (gemeint ist die Spannungs- und Frequenzabhängige Gegenkopplung). Ein kleiner chirugischer Eingriff (Kondensator-Extraktion) »korrigiert den Fehler« und siehe mal guck – im Zusammenspiel mit der überarbeiteten Gegenkopplung ist das »Dunkle« weg.

Kurz zwischengehört – Besser. Trotzdem kommt der V30 nicht so richtig in die »Pötte«. Hm… Dann überprüfen wir mal die KT88-Ruheströme und staunen nicht schlecht: Magere 30mA je KT88 sorgten für akustische Tiefenentspannung. Den China-KT88 spendieren wir daher mal vorsichtige 10mA (je Röhre) mehr Ruhestrom und hören nochmals Probe: »Jau, dat is et.« Das hört sich doch schon ganz anders an.

Der Kapazitätswert der vier Koppelkondensatoren ist mit 0,33µF (auch noch spannungsfest) etwas ungewöhnlich. Bei genauerer Inspektion ist dieser Wert, rein rechnerisch, gut gewählt – die untere Grenzfrequenz liegt damit gut im Rennen.

Die Ursache für diesen Kapazitätswert liegt ursächlich im Gitterableitwiderstand der KT88 begründet der bei dem Audreal V30 (und zum Dritten: Attention!) richtig dimensioniert wurde.
Das lasse ich jetzt mal so stehen, damit’s wirkt.

Und dann noch die Sache mit den Kathodenwiderständen. Auch wenn’s nicht schön ist: Diese Dinger sollen ja abrauchen, wenn eine Röhre anfängt Amok zu laufen (soll’s ja geben). 5 Watt – egal ob Draht oder als Hochlastwiderstand – sind wirklich total oversized. Zwei Watt (Drahtwiderstand) reichen vollkommen aus. Aber – das sind die »berühmten« Widersprüchlichkeiten aus diesem Land: Man »klotzt«, wo man gar nicht zu »klotzen« braucht (Beispiel: die Heizspannung der 12AX7 ist »hochgelegt« – ein definiertes Uf/k aus der »haute cuisine« der Röhrentechnik. Alle Achtung!) und schludert dann etwas bei den Details…

Zum Schluss die Sache mit dem Netzschalter. Beim Ausschalten produziert dieser, je nach Mondstand bzw. Netzphase, ein mehr oder weniger lautes Knacken im Lautsprecher. Ein einfacher X2-Keramikkondensator eliminiert den Abreissfunken, der beim Schaltvorgang an den Kontakten entsteht und dann zu zweifelhaften »Klangerlebnissen« führt. Die zur »Schirmung gedachte Kupferfolie« um die isolierten Netzkontakte habe ich durch eine simple Schrumpfschlauchtülle ersetzt.

Das wars.

Wenn man von den Mundorf Surpreme Koppelkondensatoren und der überarbeiteten Gegenkopplung absieht, war das eher ein Schmalspur-Customize. Die »Schattenseiten« wurden am 12.02.2014 dem Vertrieb mitgeteilt. Zudem erfuhr ich noch ein paar Neuigkeiten – dies zu kommunizieren überlasse ich aber Audreal.

Einen kleinen Knackpunkt habe ich noch: Da Röhren ja altern, muss man hin und wieder ja den Ruhestrom kontrollieren und ggf. nachstellen. Das ist hier leider nicht ganz so einfach, denn die Justage an sich muss am »offenen Herzen« geschehen – heisst: Man muss in die – unter Strom sitzende – Schaltung hinein. Das ist nicht jedermanns Sache. Gut dran ist der, der mit Messgeräten umzugehen weiss und den Kathodenwiderstand der KT88 nicht lange zu suchen braucht (eine im Internet gefundene Anleitung macht aber auch das wieder sehr einfach).

Update 17.03.2016

Kommen wir zu den Röhren. Die Sache mit der 12AX7 ist ja schon erläutert worden. Die standardmässige 6SN7GT kann u.U. bleiben. (Update on) Es empfiehlt sich, auch diese Röhre durch etwas »ordentliches« auszutauschen. Die Qualität ist ein Lotteriespiel. (Update off)

Bei den Endröhren hatte ich mich einst für Original Sovtek KT88 entschieden. Dem ist heute nicht mehr so!

Das BIAS der KT88 wird auf gemütliche 50mA (!) eingestellt und dann – let’s Rock (der Besitzer hat einen Narren an »Andy Nogger« von den Krautrockern »Kraan« gefressen). Es ist theoretisch noch mehr Ruhestrom drin, aber – je mehr, desto mehr tendiert man dann zum Class-B Betriebsmodus und das hat dann mit HiFi kaum noch etwas zu tun.

Nun kann der Audreal V30 wirklich zeigen, was er kann. Und das ist nicht wenig! Die annoncierten 50 Watt erreicht dieser Röhrenverstärker jetzt locker.

Ach ja – die Kopfhörerbuchse. Diese ist auf Kundenwunsch an der Rückseite montiert worden. Klinke ‘rein, Lautsprecher aus und dann lässt sich Musik hören, während andere Familienmitglieder fernsehen.

Nachtrag:
Audreal zeigte sich wirklich interessiert an den Verbesserungsmöglichkeiten. Seit neustem werden die V30-Röhrenverstärker mit 40mA Ruhestrom für die China-KT88 ausgeliefert.

Ich kann den Verstärker gar nicht mehr richtig aufdrehen. Das wird dann viel zu laut. Aber es klingt jetzt richtig gut.

Gestern Nachmittag habe ich ca. 2h Musik gehört => klingt wirklich genial.
In meinen Ohren stimmt da alles! Irgendwann müssen Sie mir einmal schreiben, wie sie das hinbekommen haben?!?
So ist es richtig toll!

vielen Dank für den Umbau meines Audreal Verstärkers.
Es ist bemerkenswert, was da noch drin steckt und was man hörbar machen kann.
Der Klang ist deutlich besser geworden, einfach fokussierter. So machen auch Alben Spaß, die klanglich nicht so toll aufgenommen sind.
Die Bühne ist schön aufgezogen und die Instrumente klarer und deutlich wahrnehmbarer. Jetzt sind die Instrumente nicht mehr so schwammig und breiig, sondern bilden sich akzentuierter ab. Besonders die Bässe sind tiefer, aber auch knackiger und fügen sich zu einem einheitlicheren Klangbild zusammen. Ich bin begeistert, so macht Musik hören noch mehr Freude.

frihu

…hört gerne Musik. Über Röhrenverstärker. Musikrichtung egal. Ausser Jazz, Hip-Hop, House, Metal, Trash, Schlager, Volksmusik, Gangsta-Rap (noch schlimmer, wenn in Deutsch gebrüllt). Da krieg' ich ein Hörnchen. Autor der Bücher: Hören mit Röhren, Röhrenschaltungen und High-End Röhrenschaltungen. Artikel in hifi-tunes (Röhrenbuch 2): Bauteileauswahl für Röhrenverstärker und EL509 Single-Ended Röhrenverstärker im Selbstbau

Kommentare sind geschlossen.