VTL? Nie gehört? Okay. Zu dem Unternehmen VTL im Allgemeinen und was – im Besonderen – dahinter steckt, gleich mehr. Nur soviel: Hinter VTL steht ein bekannter Name, den man eigentlich kennen muss. VTL-Verstärker fallen vor allem dadurch auf, dass sie eben nicht auffallen. Man(n) „geniesst“ und schweigt.
Optisch fallen diese Röhrenverstärker auch nicht auf. Beziehungsweise sie fallen genau deshalb auf: Kein Bling-Bling, keine Zierleisten, kein Schickimicki. Eher stabiles Industriedesign. Selbst die Röhren werden nicht in den Vordergrund gerückt. Man(n) weiss ja, was man hat.
Akustisch gibt’s dann was auf die Ohren. Aber nicht so, wie man sich das bei Röhrenverstärker so ausmalt. Das Watt kommt klar und punktgenau. Kein typischer Röhrensound. Aber was ist schon typisch? Das Gekreische „Made in China“? Der Muff „Made in W.-Germany“? Oder der „vornehm-schlanke“ Klang typischer Verstärker aus „United Kingdom“?
Dieser Artikel kommt natürlich nicht ohne Grund. Natürlich habe ich einen alten VTL-Verstärker auf der Werkbank stehen. Natürlich soll da auch ein kleiner Bericht entstehen. Das erschien mir aber etwas zu wenig. Die Röhrentechnik und die Philosophie von VTL muss man verstehen (lernen). Denn so einfach und „normal“ es zunächst aussieht – ist es nicht. Natürlich.
Anmerkung vorweg: Dieser Artikel nimmt Bezug auf die „älteren“ Modelle von VTL.
VTL steht für „Vaccuum Tube Logic“. Klar, logisch. „Making Tubes user-friendly“ hatte man sich – so das Manual – auf die Fahnen geschrieben. Was, bitteschön, ist an durchdachter Röhrentechnik „Benutzer-unfreundlich“? Okay boy. Let’s see.
VTL
Hinter diesem Kürzel steht zunächst David Manley. Genau der Manley. Jeder Röhrenverstärker-Liebhaber, besonders die mit Lötkolben bewaffneten, kennen diesen Namen. Für die, die mit Manley nichts anfangen können, kurz & knackig:
David Manley war ein sehr praxisorientierter Techniker mit sehr hohen Ansprüchen. Ein Tick von ihm: Er dachte „um die Ecke“, adaptierte auch Vorhandenes (vor allem von Williamson) und entwickelte es weiter.
Beheimatet in Süd-Afrika entwickelte er unter dem Label „Manley“ zunächst verschiedene Gerätschaften für die professionelle Studiotechnik: Mikrofone, Verstärker, Limiter… Was man im Studio halt so braucht. Alles „hand-crafted“ bzw. „Hand-Buildet“.
Sehr viel später kam noch ein „audiophiles“ Schallplatten-Label hinzu: „ViTaL“.
Hand-Crafted?
So ungewöhnlich war die „Handarbeit“ seinerzeit auch wieder nicht. Die Automation war noch weit davon entfernt, die manuellen Arbeiten komplett zu übernehmen. Bei bestimmten Geräten war (und ist immer noch) hand-crafted unabdingbar. Zum Beispiel die komplett freiverdrahteten Röhrenverstärker.
Ach ja, Röhren im allgemeinen sind ja auch „hand-crafted“.
Hand-Crafted hat oft ganz einfach auch betriebswirtschaftliche Gründe. Die zu fertigende Stückzahl (Losgröße) erlaubt eben keine Automation. Das ist alles.
David Manley war diesbezüglich seiner Zeit voraus und erhob die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit zum Produktmerkmal. Als die Röhrenverstärker in den späten 1990’er Jahren wieder „modern“ wurden, wurde auch das „hand-crafted“ zum Produktmerkmal erhoben. Manchmal liess sich auch die Tagesform des Herstellers bzw. Erbauers daran ablesen.
Mit diesem Begriff wurde besonders in den Nuller-Jahren auch „etwas“ übertrieben (nicht von VTL): Von Hand gefertigte Kondensatoren oder auch Übertrager und Netztrafos waren eine zeitlang (fragwürdige) Werbeaussagen…
Hand-Crafted hat allerdings auch einen Nachteil: Der Mensch neigt zu Fehlern…
Zurück zu den Manleys.
Mit seinem Filius Luke Manley wird das Unternehmen VTL Anfang der 1980’er Jahre gegründet. Chef im Ring war David.
Das Ziel: Neben Profi-Technik, die „Manley-Technik“ in’s heimische Wohnzimmer zu bringen. Den Firmensitz verlegte man dann nach Groß-Britanien und später (Anfang 1980) nach Amerika. Und dort begann dann auch die „Erfolgsgeschichte“. Mit steigender Nachfrage wuchs aber auch die Erkenntnis, dass sich hand-crafted Studiotechnik nicht unbedingt mit hand-crafted Consumer-Technik vertrug.
Zehn Verstärker in reiner Handarbeit für’s Studio oder ausgewählte Kundschaft herzustellen ist eine Geschichte. Wenn es „plötzlich“ eintausend (hand-crafted) Consumer-Verstärker werden sollen, dann bleiben Probleme, die an allen Ecken und Kanten entstehen, nicht aus. Ein grosses Problem war bei VTL betriebswirtschaftlicher Natur: Der Einkauf und die Bevorratung von den Bauteilen, die man – laut Schaltplan bzw. Stückliste – benötigte. Das schlug sich dann auch in der Fertigung nieder, die deshalb eher „unkoordiniert“ ablief.
Zum Schluss wurde mit den Bauteilen, je nach Preis und Verfügbarkeit, „improvisiert“. VTL schlitterte endgültig in’s Chaos.
Noch grösser wurden die Probleme, weil sich die beiden Manleys nicht (mehr) einig waren, welchen Markt man Wie bedienen sollte. Es ging drunter und drüber. VTL glich einer Nußschale auf tosendem Meer und stand kurz davor, abzusaufen.
Etwa zehn Jahre später (etwa 1993) trennten sich die beiden Manleys („Vernunfts-Trennung“). David Manley machte mit gleichnamiger Studiotechnik weiter, Luke Manley brachte dann „sein“ VTL in ruhiges Fahrwasser und änderte zunächst das „Outfit“ der Verstärker.
1994 veröffentlichte David Manley das mittlerweile legendäre „The Vacuum Tube Logic Book“. Bruchstücke kann man heute noch im Netz finden. Diese Bruchstücke reichen aber, um zu ahnen (!), dass Manley Senior schaltungstechnisch wahrlich nicht „auf den Kopf gefallen“ war. Aber… Die Schaltungen spiegeln nicht unbedingt das wieder, was Sohnemann auf den Markt brachte. Muss man bedenken!
Nach dem Tod von David Manley (Ende 2012) wurde „Manley Labs“ in das Unternehmen VTL „integriert“. Das nur nebenbei.
Soweit, so unspektakulär.